Rz. 262
Die Nutzungsausfalltabelle Sanden/Danner/Küppersbusch stellt auf neue bzw. neuere (maximal zehn Jahre alte) Fahrzeuge ab. Bei älteren Fahrzeugen – nach der Rechtsprechung und der Auffassung der Autoren vorgenannter Tabelle sind das solche Fahrzeuge, die älter als fünf Jahre sind – sind jedoch Abzüge vorzunehmen. In der Praxis geschieht das regelmäßig durch Reduzierung auf die nächst niedrigere Gruppe (BGH zfs 1988, 134; OLG Karlsruhe VersR 1989, 58; OLG Karlsruhe zfs 1993, 304; AG Aschaffenburg zfs 1998, 379).
Rz. 263
Bei Fahrzeugen, die über zehn Jahre alt sind, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten: Einerseits wird auf die reinen Vorhaltekosten (AG Düsseldorf zfs 1993, 266) bzw. doppelten Vorhaltekosten (OLG Düsseldorf zfs 1991, 15) verwiesen, andererseits Halbierung des Nutzungsausfallsatzes vorgeschlagen (LG Koblenz zfs 1988, 170) oder aber der Tabellenwert ein bis zwei Stufen tiefer für richtig gehalten (LG Fulda VersR 1989, 814; LG Mainz VersR 2000, 111; AG Aschaffenburg zfs 1998, 379; AG Dieburg zfs 1999, 468; AG Waiblingen NZV 1999, 339; AG Solingen zfs 2019, 628). Auch bei einem 42 Jahre alten Oldtimer in sehr gepflegtem Allgemeinzustand und mit einer Laufleistung von 67.200 km soll der Tabellenwert eines vergleichbaren Fahrzeugs um zwei Gruppen herabgestuft heranzuziehen sein (LG Berlin DAR 2008, 706). Beim Oldtimer soll allerdings nur dann überhaupt eine Nutzungsausfallentschädigung in Betracht kommen, wenn es zu einer fühlbaren Beeinträchtigung der alltäglichen Mobilität kommt, was nicht der Fall sein soll, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug uneingeschränkt zur Verfügung steht, so dass der zeitweilige Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines reinen Freizeitzwecken dienenden Fahrzeugs keinen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung begründet (OLG Düsseldorf DAR 2012, 254 m. Anm. Wenker, jurisPR-VerkR 5/2012 Anm. 2).
Rz. 264
Allerdings überzeugen diese Auffassungen nicht: Das Alter eines Fahrzeugs hat – dogmatisch betrachtet – nach mittlerweile herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich keinerlei Einfluss auf die Nutzungsmöglichkeit und den Nutzungswert für den Geschädigten (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 12 StVG Rn 44 mit zahlreichen w.N.; so auch OLG Hamm MDR 2000, 639; LG Düsseldorf DAR 1991, 183; OLG Karlsruhe DAR 1989, 67 ff. m.w.N.; OLG Naumburg OLG-NL 1995, 220; KG VerkMitt 1993, Nr. 118 m.w.N.; LG Berlin DAR 1998, 354; AG Aschaffenburg zfs 1998, 379; AG Bonn zfs 1998, 380; AG Waiblingen NZV 1999, 339, 340; AG Hanau zfs 1995, 415; AG Dorsten zfs 2001, 69; AG Flensburg zfs 2001, 362; AG Solingen zfs 2019, 628; siehe auch Hillmann, zfs 2001, 341 f.).
Rz. 265
Im Hinblick auf die konstruktionsbedingte Langlebigkeit heutiger Kraftfahrzeuge kann ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht ohne weiteres von einem lediglich eingeschränkten Nutzwert bei älteren Fahrzeugen ausgegangen werden. Abzustellen ist vielmehr auf die eigenwirtschaftliche Nutzung (AG Dorsten zfs 2001, 69). Der Erhaltungszustand eines Fahrzeugs ist also nur dann zu berücksichtigen, wenn sein Nutzungswert mit demjenigen eines neueren Fahrzeugs gleichen Typs nicht mehr vergleichbar ist (BGH NJW 1988, 484).
Rz. 266
Es wird daher die Auffassung vertreten, dass auch bei einem über zehn Jahre alten Fahrzeug eine Beschränkung auf die Vorhaltekosten nur dann zulässig ist, wenn das unfallbeschädigte Fahrzeug schon vor dem Unfall erhebliche Beschädigungen und Mängel aufwies, die seine Nutzungsmöglichkeit erheblich eingeschränkt haben (AG Moers zfs 2002, 478).
Rz. 267
Dem hat sich zwischenzeitlich der BGH angeschlossen (BGH VersR 2005, 284 = zfs 2005, 126 = DAR 2005, 78 = NZV 2005, 82): Sogar bei einem Unfallschaden eines 16 Jahre alten, aber gut gepflegten Pkw kommt nicht nur der Ersatz von Vorhaltekosten, sondern sehr wohl auch der Ersatz von Nutzungsausfall nach den einschlägigen Tabellen in Betracht (im dortigen Fall mit einer Herabstufung der Gruppierung um zwei Stufen). Spielt das Alter eines Pkw eine wesentliche Rolle, so ist der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile eine aufwändige Berechnung anzustellen, sondern darf grundsätzlich im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle weiterhin mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten, selbst wenn das streitbefangene Fahrzeug darin nicht mehr aufgeführt ist (BGH a.a.O.; BGH VersR 2005, 570 = zfs 2005, 437 = DAR 2005, 265).
Rz. 268
Einer derartigen Schadensschätzung steht auch nicht etwa eine besonders lange Dauer des Nutzungsausfalls entgegen (BGH VersR 2005, 570 = zfs 2005, 437 = DAR 2005, 265 f.). Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung wird auch nicht schematisch durch den Wert des Fahrzeugs begrenzt. Wenn also der Wert des Fahrzeugs durch den Nutzungsausfallschaden überschritten wird, ist...