Rz. 156
In der neueren Rechtsprechung geht der BGH von einer Erkundigungspflicht des Geschädigten aus. In seiner Entscheidung vom 19.4.2005 – VI ZR 37/04 – (BGH VersR 2005, 850 = zfs 2005, 435 = r+s 2005, 351) führt der BGH aus:
Zitat
"Zu einer solchen Nachfrage nach einem günstigeren Tarif ist ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter schon unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich aus dessen Höhe sowie der kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können. […] Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigeren Tarifen zu erkundigen."
Rz. 157
Zudem verweist der BGH in der vorgenannten Entscheidung auf drei frühere Entscheidungen (BGH VersR 1985, 1090; VersR 1985, 1092; BGHZ 132, 373, 378), wonach der Geschädigte unter Umständen zur Einholung von ein oder zwei Konkurrenzangeboten gehalten sein könne (so jüngst bestätigend BGH v. 19.1.2010 – VI ZR 112/09 – VersR 2010, 494, 496 = zfs 2010, 260; vgl. auch Wellner, BGH-Rechtsprechung, § 5 Rn 104 ff.).
Rz. 158
Entscheidend für den Umfang der Erkundigungspflichten ist auch, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt (BGH VersR 2005, 850; VersR 2006, 986; VersR 2006, 1273 = DAR 2006, 682; VersR 2006, 1425).
Rz. 159
Demgegenüber rechtfertigt nach der Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2006, 986; VersR 2006, 1273) das allgemeine Vertrauen darauf, der dem Geschädigten vom Autovermieter angebotene Tarif sei "auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten", es nicht, zu Lasten des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren (Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 29g). Dementsprechend besteht eine Erkundigungspflicht hinsichtlich Angeboten anderer Anbieter auch (oder gerade) dann, wenn der Vermieter dem Geschädigten nur einen Tarif angeboten hat (BGH VersR 2006, 1273 = zfs 2006, 686; BGH VersR 2007, 516, 517; VersR 2010, 494, 496). Hierbei reicht es nicht aus, wenn sich der Geschädigte bei Konkurrenzunternehmen Vergleichsangebote einholt, soweit ihm jeweils nur ein (Unfallersatz-) Tarif angeboten wurde, denn er ist verpflichtet, sich beim jeweiligen Anbieter ausdrücklich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen (BGH v. 2.2.2010 – VI ZR 7/09 – VersR 2010, 683, 685 = zfs 2010, 561; BGH v. 12.4.2011 – VI ZR 300/09 – VersR 2011, 769 = zfs 2011, 441; Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 29g).
Rz. 160
Beispiele aus der BGH-Rechtsprechung zu den Erkundigungs- bzw. Nachfragepflichten des Geschädigten in Abgrenzung zur Eil- oder Notsituation, welche zur Unzumutbarkeit einer solchen Erkundigung führt (vgl. auch Wellner, BGH-Rechtsprechung, § 5 Rn 72 ff.):
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Erkundigungspflicht bejaht bei einer erst zwei Wochen nach dem Unfall erfolgten Anmietung (BGH VersR 2006, 1273 = zfs 2006, 686) |
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Erkundigungspflicht bejaht bei einer zwei Tage nach dem Unfall erfolgten Anmietung (BGH VersR 2005, 850 = zfs 2005, 435) |
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Erkundigungspflicht bejaht bei einer am Tag nach dem Unfall erfolgten Anmietung mitten in der Woche (BGH VersR 2006, 986 = zfs 2006, 684; VersR 2008, 699; VersR 2013, 730) |
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Erkundigungspflicht bejaht bei Anmietung bereits am Unfalltag (Werktag) in einer mittleren Universitätsstadt (BGH VersR 2007, 516 = zfs 2007, 330 m. Anm. Diehl = NZV 2007, 179) |
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Konkrete Nachfragepflicht selbst dann, wenn dem Geschädigten unter Offenlegung der Unfallsituation auch im Bereich einer Stadt zunächst ausschließlich der Unfallersatztarif angeboten worden wäre (BGH VersR 2007, 516 = zfs 2007, 330 m. Anm. Diehl; BGH VersR 2007, 661 = r+s 2007, 341 = NZV 2007, 351) |
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Pflicht zur Einholung von weiteren Vergleichsangeboten bei Konkurrenzunternehmen trotz des vom Autovermieter gewährten Einblicks in Preislisten anderer Anbieter (BGH v. 14.10.2008 – VI ZR 210/07 – VersR 2009, 83 = r+s 2009, 37) |
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Erkundigungspflicht bejaht trotz eines Unfalls am 23.12., weil der "Geschädigte genügend Zeit hatte, Angebote anderer Mietwagenunternehmen einzuholen" (BGH v. 12.4.2011 – VI ZR 300/09 – VersR 2011, 769 = zfs 2011, 441). |
Rz. 161
Die vorgenannten Rechtsprechungsbeispiele zeigen, dass der BGH von strengen Voraussetzungen ausgeht und in nahezu allen Fällen eine Erkundigungs- bzw. Nachfragepflicht annimmt. Nur in wenigen Fällen hat der BGH bisher eine fehlende Zugänglichkeit des Normaltarifs angenommen, so in einem Fall, in dem der Geschädigte der Empfehlung seiner ihm vertrauten Fachwerkstatt gefolgt ist, weil er das Fahrzeug umgehend nach dem Unfall kurz vor den Weihnachtsfeiertagen aus dringenden beruflichen Gründen anmieten musste (BGH VersR 2007, 514 = zfs 2007, 332 = r+s 2007, 214 = DAR 2007, 261). Die Annahme einer Eil- oder Notsituation kommt auch dann in Betracht, wenn dem Geschädigten zwischen Unfall und Anmietung wegen des bevorstehenden Arbeitsbe...