Rz. 14
Hinsichtlich der Angemessenheit der Sachverständigengebühren besteht Streit. Eine allgemeingültige Gebührenordnung für Sachverständige gibt es nicht. Soweit die Kosten nach dem BVSK-Gebührenrahmen (BVSK = Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.) abgerechnet werden, dürfte es keine Probleme geben (AG Dortmund zfs 1986, 169; AG Köln zfs 1990, 346).
Rz. 15
Halten sich die Kosten, die für die Erstellung eines Gutachtens verlangt werden, aus der Sicht des Geschädigten im Rahmen des Üblichen, sind sie vom Schädiger zu ersetzen (OLG Frankfurt zfs 1997, 271; AG Lüdenscheid zfs 1998, 293; AG Westerburg zfs 2002, 72).
Rz. 16
Zur seit Jahren in der Praxis zu erheblichem Streit führenden Frage der Erstattungspflicht bei einem vermeintlich überhöhten Honorar ist inzwischen eine Grundsatzentscheidung des BGH ergangen (BGH v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – VersR 2014, 474 = zfs 2014, 388 = NZV 2014, 255 = DAR 2014, 194; bestätigt durch BGH v. 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – VersR 2014, 1141 = zfs 2015, 85 = NZV 2014, 445 = DAR 2014, 578; BGH v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15 – VersR 2016, 1387; BGH v. 28.2.2017 – VI ZR 76/16 – VersR 2017, 636; BGH v. 24.10.2017 – VI ZR 61/17 – VersR 2018, 240; BGH v. 5.6.2018 – VI ZR 171/16 – VersR 2018, 1338; BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 315/18 – VersR 2020, 373). Danach gilt das Folgende:
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Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, vor der Beauftragung eines Sachverständigen Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen zu betreiben (ebenso OLG Frankfurt a.M. NZV 2017, 27). |
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Er darf sich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen (ebenso OLG Frankfurt a.M. NZV 2017, 27). |
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Die vorgelegte (vom Geschädigten beglichene) Rechnung des Sachverständigen ist ein wesentliches Indiz zur Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrags i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. |
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Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine maßgebende Rolle. |
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Daher können auch die Kosten einer objektiv überhöhten Rechnung gleichwohl "erforderlich" sein, wenn diese nicht auch "für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt". |
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Dementsprechend ist das Ergebnis einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbands (BVSK-Honorarbefragung) nicht maßgeblich, da dem Geschädigten regelmäßig das Ergebnis einer solchen Umfrage nicht bekannt sein muss. |
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Sodann kann der Schädiger (bzw. sein Versicherer) lediglich auf der zweiten Stufe im Rahmen der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB geltend machen, dass der Geschädigte bei der Schadensbeseitigung "Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte". |
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Auch bei dieser Prüfung führt ein Abweichen von den Höchstsätzen der BVSK-Honorarbefragung noch nicht zur Annahme eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht. |
Rz. 17
Im Ergebnis bleibt damit nach der BGH-Entscheidung offen, welche Argumentationsmöglichkeiten dem Versicherer gegenüber dem Geschädigten faktisch noch verbleiben sollten. Bei strikter Anwendung dieser Grundsätze dürfte dem haftpflichtigen Versicherer wohl regelmäßig keine Möglichkeit mehr verbleiben, erfolgreich den Einwand eines überhöhten Honorars zu erheben. In seiner späteren Entscheidung vom 26.4.2016 (VI ZR 50/15 – VersR 2016, 1133) hat der BGH seine vorgenannte Entscheidung insofern relativiert, als er darin davon ausgeht, dass dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine "gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später berechneten Preise" obliege.
Rz. 18
In seiner Entscheidung vom 22.7.2014 (VI ZR 357/13 – VersR 2014, 1141 = zfs 2015, 85; bestätigt durch BGH v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15 – VersR 2016, 138; BGH v. 28.2.2017 – VI ZR 76/16 – VersR 2017, 636; BGH v. 5.6.2018 – VI ZR 171/16 – VersR 2018, 1338; BGH v. 29.10.2019 – VI ZR 104/19 – VersR 2020, 245) hat der BGH allerdings in einem Fall, in dem der Sachverständige selbst aus abgetretenem Recht geklagt hat, ausgeführt, dass der vom Geschädigten zu keinem Zeitpunkt beglichenen Sachverständigenrechnung "keine maßgebliche Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten" beizumessen sei. Auch die spätere Begleichung der Rechnung durch ein Factoringunternehmen (statt durch den Geschädigten selbst), an das der Schadensersatzanspruch weiter abgetreten wurde, ändert an der fehlenden Indizwirkung nichts (BGH v. 29.10.2019 – VI ZR 104/19 – VersR 2020, 245). Anders kann es jedoch bei einer Zahlung der Sachverständigenrechnung durch den vom Geschädigten bevollmächtigten Rechtsanwalt sein. In diesem Fall ist eine Indizwirkung anzunehmen, wenn der Geschädigte selbst vor der rechtlichen Beratung durch seinen Rechtsanwalt die Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen getroffen ha...