Rz. 35

Abwegig ist die oft anzutreffende Rechtsauffassung von Versicherern, die Reisekosten des Sachverständigen zu einem von seinem Büroort entfernt gelegenen Schätzungsort seien deshalb nicht zu ersetzten, weil im Rahmen der Schadensminderungspflicht entweder ein näher gelegener Sachverständiger oder die DEKRA hätten beauftragt werden müssen, die in der Regel alle Gutachtenaufträge des Tages auf einer Rundfahrt erledigten und deshalb die Fahrtkosten lediglich anteilig berechneten. Das kann und braucht der Geschädigte nicht zu wissen, und außerdem ist er in der Auswahl des Sachverständigen frei.

 

Rz. 36

Einige Versicherer haben seit kurzem eine eigene Sachverständigenorganisation gegründet, die bundesweit unter dem Namen "Car-Expert" firmiert. Dabei handelt es sich zwar nach außen um eine GmbH, in Wahrheit aber lediglich um einen Zusammenschluss einiger versicherungseigener Haussachverständiger, also um eine aus Kostengründen vorgenommene Ausgliederung hauseigener abhängiger Sachverständigengruppen. Über die fachliche Qualifikation dieser Sachverständigen ist nicht viel bekannt. Ihre Unabhängigkeit steht in Zweifel.

 

Rz. 37

Es ist klar, dass sich kein Geschädigter darauf einlassen muss, sein Gutachten ausschließlich dort erstellen zu lassen. Er bleibt selbst dann in der Auswahl des Sachverständigen frei, wenn ihm "Car-Expert" durch den Versicherer frühzeitig und mit günstigeren Gebührensätzen angeboten werden sollte.

 

Rz. 38

Oft veranlassen Versicherer die Geschädigten, dass diese um jeden Preis die DEKRA mit der Begutachtung beauftragen sollen. Bei Gutachten der DEKRA ist Vorsicht geboten: Die DEKRA operierte bereits früher gegen die Rechtsprechung des BGH immer wieder nicht mit den Preisen markengebundener Fachwerkstätten. Wenn der Geschädigte nicht erklärte, er wolle sein Fahrzeug in einer bestimmten Kfz-Fachwerkstatt reparieren lassen, legte die DEKRA bei den Reparaturlohnkosten (auch AW = Arbeitswerte genannt; 1 Stunde hat 10 AW, 1 AW sind also 6 Arbeitsminuten) in Verkennung der BGH-Rechtsprechung zum normativen Schaden, wonach grundsätzlich die Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen sind, lediglich die Durchschnittslohnkosten aller Werkstätten (nicht nur markengebundene Fachwerkstätten) in der Region zugrunde, was durchaus zu Unterschieden pro AW in Höhe von mehreren EUR führen kann.

 

Rz. 39

 

Beispiel

AW DEKRA = 4,70 EUR, AW Fachwerkstatt = 6,30 EUR, Differenz bei nur 100 AW schon 160 EUR netto.

Auf eine solche Abrechnung braucht sich der Geschädigte nicht einzulassen (AG Clausthal-Zellerfeld zfs 1997, 135). Diese Art der Berechnung des Schadens durch die DEKRA ist falsch (siehe § 7 Rdn 146 ff.). Der BGH wendete sich bereits in seiner Entscheidung vom 29.4.2003 (zfs 2003, 405 ff., sog. Porsche-Urteil) expressis verbis gegen die von der DEKRA jahrelang praktizierte und stets kritisierte Praxis, statistische Mittelwerte zugrunde zu legen, indem er ausführt, dass solche Werte "den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag erkennbar nicht repräsentieren". Bei fiktiver Abrechnung stehen dem Geschädigten demnach grundsätzlich die in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Kosten zu, sodass er sich nicht darauf verweisen lassen muss, seinen Schaden auf der Grundlage "mittlerer ortsüblicher Stundenverrechnungssätze" abzurechnen (vgl. dazu im Einzelnen § 7 Rdn 327 ff.).

 

Rz. 40

Außerdem hält sich die DEKRA nicht an die Rechtsprechung des BGH, wonach zur Restwertermittlung ausschließlich die Restwertangebote des dem Geschädigten unmittelbar zugänglichen regionalen Marktes (50 km Umkreis des Wohnortes, siehe § 7 Rdn 253 ff.) herangezogen werden dürfen. Die DEKRA betreibt stets eine (vom BGH nicht gebilligte) Internetrecherche, was ihre besondere Nähe zur Assekuranz dokumentiert!

Neuerdings werden in der Zusammenfassung des Gutachtens bei der DEKRA zudem die erforderlichen Reparaturkosten ohne Berücksichtigung der in der Kalkulation jedoch – weil ortsüblich – enthaltenen Verbringungskosten und UPE-Aufschläge ausgewiesen. Auch dies widerspricht der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. dazu im Einzelnen § 7 Rdn 134 ff.) und dient allein dem Zweck, dass bei einer fiktiven Abrechnung nur die Reparaturkosten ohne die Verbringungskosten und die UPE-Aufschläge reguliert werden, obwohl der Sachverständige durch deren Aufnahme in die eigentliche Kalkulation die Ortsüblichkeit festgestellt hat.

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