Rz. 193
Bei unzumutbar langer Dauer der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung kommt ein besonderer Aspekt der Schadensminderungspflicht bei Mietwageninanspruchnahme ins Spiel: Dann kann dem Geschädigten nämlich u.U. zugemutet werden, sich ein "Interimsfahrzeug" anzuschaffen (BGH VersR 1982, 548; OLG Hamm r+s 1991, 266). Das gilt insbesondere bei einem Neuwagenersatzanspruch (siehe § 7 Rdn 357 ff.) des Geschädigten, wenn der Ersatzwagen lange Lieferzeiten hat. Aber auch dann, wenn sich der Geschädigte unmittelbar nach dem Unfall vor dem Antritt einer besonders weiten Urlaubsreise (OLG Schleswig DAR 1991, 24) mit folglich hoher Kilometerleistung befindet, kann ein Interimsfahrzeug die preisgünstigere Alternative zur Mietwageninanspruchnahme sein.
Rz. 194
Allerdings wird in der Praxis häufig nicht ausreichend der erhebliche Abwicklungsaufwand berücksichtigt, welchen die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs mit sich bringt (Ummeldung, Versicherung, Steuern; Anzeigenschaltung, Terminvereinbarungen mit Kaufinteressenten und verbleibende Haftungsrisiken beim Verkauf etc.). Zudem ist es für den hinsichtlich der Marktgepflogenheiten unsicheren Laien nur schwer einzuschätzen, inwieweit er das Fahrzeug später ohne einen größeren Verlust wieder verkaufen kann, sodass ihm ein erhebliches Risiko verbleibt.
Rz. 195
Vor diesem Hintergrund dürfte dem Geschädigten die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs häufig nicht zumutbar sein. Der BGH hat in einer neueren Entscheidung diesen Gesichtspunkt berücksichtigt, indem er ausführte, dass eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum noch erstattungsfähig sein kann, wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile, welche durch den An- und Verkauf eines Interimsfahrzeugs entstehen, nicht wesentlich übersteigt. "In einem solchen Fall kann dem Geschädigten Aufwand und Risiko, die mit dem An- und Verkauf eines Gebrauchtwagens verbunden sind, nicht zugemutet werden" (BGH VersR 2008, 370 = zfs 2008, 201 = r+s 2008, 82 = DAR 2008, 139). Andererseits besteht dann, wenn nach diesem wirtschaftlichen Vergleich ein Interimsfahrzeug als günstigere Alternative anzuschaffen wäre, auch kein Ersatzanspruch einer pauschalen Nutzungsentschädigung begrenzt auf die (fiktiven) Kosten der Anschaffung eines Interimsfahrzeugs, wenn der Geschädigte eine solche Anschaffung nicht vornimmt (BGH v. 10.3.2009 – IV ZR 211/08 – VersR 2009, 697 = zfs 2009, 564).
Rz. 196
Sämtliche mit der Anschaffung und dem Wiederverkauf dieses Interimsfahrzeugs verbundenen Kosten (An- und Abmeldekosten, Wertverlust, Versicherungsmehrkosten usw.) hat selbstverständlich der Schädiger zu tragen.