Rz. 173
In den neueren Entscheidungen geht der BGH davon aus, dass die Ermittlung des Normaltarifs nicht zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraussetzt, sondern im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO auch auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten geschätzt werden könne (BGH VersR 2006, 986 = zfs 2006, 684 = r+s 2006, 390 = DAR 2006, 438; VersR 2007, 516 = zfs 2007, 330 = r+s 2007, 306 = NZV 2007, 179; VersR 2007, 661 = r+s 2007, 341 = DAR 2007, 327; VersR 2007, 1144 = r+s 2007, 345 = DAR 2007, 510; VersR 2007, 1286 = zfs 2007, 628 = r+s 2007, 476 = DAR 2007, 699; VersR 2008, 1370 = zfs 2008, 622; VersR 2012, 874). In einer weiteren Entscheidung hat der BGH zum örtlich relevanten Markt konkretisiert, dass bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Mietwagenkosten grundsätzlich das Preisniveau an dem Ort maßgeblich sei, an dem das Fahrzeug angemietet und übernommen wird (BGH VersR 2008, 699 = zfs 2008, 383 = r+s 2008, 258 m. Anm. Lemcke = DAR 2008, 331 = NZV 2008, 339 = NJW 2008, 1519).
Rz. 174
Den ursprünglichen Entscheidungen des BGH lag jeweils der Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 zugrunde. Erheblicher Streit bestand darüber, inwieweit der neuere Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 eine geeignete Schätzungsgrundlage darstellt. Die Kritiker berufen sich darauf, dass die Art der Ermittlung (insbesondere keine anonyme Befragung) zu überhöhten Werten geführt habe (Richter, VersR 2007, 620; skeptisch auch Reitenspiess, DAR 2007, 345; a.A. z.B. Wenning, NZV 2007, 173). Demgegenüber haben bereits eine Mehrzahl der Instanzgerichte den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 ihrer Schätzung zugrunde gelegt (so z.B. OLG Karlsruhe VersR 2008, 92; OLG Karlsruhe NZV 2008, 456 m. Anm. Schneider, jurisPR-VerkR 8/2008 Anm. 3; OLG Köln v. 3.3.2009 – 24 U 6/08 – NZV 2009, 447; OLG Köln v. 22.12.2009 – 15 U 98/09 – NZV 2010, 144; LG Bielefeld NJW 2008, 1601; LG Bonn NZV 2007, 362; LG Nürnberg-Fürth zfs 2007, 444 m. Anm. Diehl; LG Hof NZV 2008, 459; LG Dortmund NZV 2009, 83; LG Arnsberg NZV 2009, 397; vgl. Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 29f). Andere Gerichte verwenden demgegenüber bewusst weiterhin den Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 mit unterschiedlichen Inflationszuschlägen (LG Chemnitz NZV 2008, 458: 6 %; LG Siegen NZV 2010, 146: 7 %; AG Erfurt NZV 2009, 396: 10 %; LG Chemnitz NZV 2010, 147: 13 %; vgl. Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 29f).
Rz. 175
Auch die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 hat der BGH inzwischen gebilligt mit dem Hinweis, dass durch den bei der Schadenschätzung gem. § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichter eine weitergehende Klärung der Eignung der Schätzungsgrundlage nur dann erfolgen müsse, wenn konkrete Tatsachen dafür aufgezeigt werden, dass sich geltend gemachte Mängel auf den konkreten Fall auswirken (BGH v. 11.3.2007 – VI ZR 164/07 – VersR 2008, 699 = zfs 2008, 383 = NZV 2008, 339; BGH v. 11.3.2008 – VI ZR 164/07 – VersR 2008, 699 = zfs 2008, 383 = r+s 2008, 258 m. Anm. Lemcke = DAR 2008, 331 = NZV 2008, 339 = NJW 2008, 1519; BGH v. 24.6.2008 – VI ZR 234/07 – VersR 2008, 1370 = NJW 2008, 2910, Rn 23; BGH v. 14.10.2008 – VI ZR 308/07 – VersR 2008, 1706 = zfs 2009, 82; BGH v. 13.1.2009 – VI ZR 134/08 – VersR 2009, 801 = r+s 2009, 481; BGH v. 19.1.2010 – VI ZR 112/09 – VersR 2010, 494 = zfs 2010, 260; BGH v. 2.2.2010 – VI ZR 7/09 – VersR 2010, 683 = zfs 2010, 561; BGH v. 2.2.2010 – VI ZR 139/08 – VersR 2010, 545, 547 = zfs 2010, 381; BGH v. 9.3.2010 – VI ZR 6/09 – VersR 2010, 1053 = r+s 2010, 303; BGH v. 22.2.2011 – VI ZR 353/09 – VersR 2011, 643 = r+s 2011, 264). Es reicht daher nicht aus, nur generell die Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 anzugreifen, ohne jedoch konkret darzulegen, dass und inwieweit der nach der Liste ermittelte Normaltarif nicht zutrifft. Für die Praxis überaus bedeutsam ist es, dass sich nach der Rechtsprechung des BGH derartige konkrete Bedenken gegen die Anwendung einer Tabelle insbesondere daraus ergeben können, dass der Versicherer im Prozess konkrete günstigere Angebote vorlegt (BGH v. 2.2.2010 – VI ZR 7/09 – VersR 2010, 683, 685 = zfs 2010, 561; BGH v. 18.5.2010 – VI ZR 293/08 – VersR 2010, 1054 = zfs 2010, 565; BGH v. 22.2.2011 – VI ZR 353/09 – VersR 2011, 643, 644 = r+s 2011, 264; BGH v. 17.5.2011 – VI ZR 142/10 – VersR 2011, 1026 = r+s 2011, 356; BGH v. 18.12.2012 – VI ZR 316/11 – VersR 2013, 330). Nicht zu berücksichtigen sind solche Angebote allerdings, wenn sie mit der Anmietsituation nicht vergleichbar sind, z.B. bei der Vorlage lediglicher "Screenshots" von Internetangeboten, aus denen sich die Details des Tarifs nicht ergeben (OLG Köln v. 18.8.2010 – 5 U 44/10 – NZV 2010, 614; vgl. Schneider, in: Berz/Burmann, Kap. 5 C Rn 29f). Grundsätzliche Bedenken bestehen gegen die Berücksichtigung von Internetangeboten (so LG Kempten NZV 2009, 82 sogar ausschließlich statt der Verwendung einer allgemeinen Tabelle) bereits deshalb, weil nicht für jedermann die M...