Rz. 48
Fällt die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs unfallbedingt aus, hat der Geschädigte Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes. Ihm muss also entweder im Wege der Naturalrestitution ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt werden (Mietwagen) oder er hat Anspruch auf finanziellen Ersatz des geldwerten Gebrauchsvorteils (Nutzungsausfall).
Prozessual ist es selbstverständlich möglich, die Kosten für einen Mietwagen ohne einen gesonderten Hilfsantrag im Hinblick auf einen pauschalen Nutzungsausfall für den Fall geltend zu machen, dass das Gericht der Ansicht ist, ein Mietwagen wäre (z.B. wegen zu geringer Kilometerleistung) nicht erforderlich gewesen (vgl. dazu unten Rdn 123 ff.). Denn der Anspruch auf pauschalen Nutzungsausfall ist als Minus in den (in der Regel höheren) Mietwagenkosten enthalten und darf nicht vom Gericht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass wegen des tatsächlich zur Verfügung stehenden Mietwagens tatsächlich kein Nutzungsausfall eingetreten wäre und damit auch die Zusprechung pauschalen Nutzungsausfalls ausscheide (BGH v. 5.2.2013 – VI ZR 290/11 – zfs 2013, 322).
Beide Ansprüche haben zunächst einmal gemeinsame Anspruchsvoraussetzungen.
Rz. 49
Der Anspruch auf Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfall ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
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Nutzungswille |
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Nutzungsmöglichkeit |
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nachgewiesener Nutzungsausfallzeitraum, der sich unterteilt in
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Schadensermittlungszeitraum |
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Überlegungszeitraum |
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Reparaturdauer bzw. Wiederbeschaffungszeitraum |
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kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht. |
1. Nutzungswille
Rz. 50
Der Geschädigte muss den tatsächlichen Willen haben, ein Fahrzeug zu nutzen. Ein solcher Wille ist nach der Lebenserfahrung bis zum Beweis des Gegenteils durch den Schädiger zu unterstellen (OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Düsseldorf DAR 2006, 269).
Rz. 51
Einen solchen vor dem Unfall vorhandenen Willen kann der Geschädigte jedoch z.B. unfallbedingt ("… habe seitdem Angst vorm Autofahren …") oder aus anderen Gründen (z.B. altersbedingt oder aus finanziellen Gründen) aufgegeben haben.
Rz. 52
Das zeigt sich aus Sicht der Versicherer meist daran, dass er sein Fahrzeug nicht mehr reparieren lässt bzw. verkauft und kein neues Fahrzeug mehr anschafft. Der Nutzungswille sei also offenkundig nicht (mehr) gegeben, wenn der Geschädigte ganz, für immer oder jedenfalls bis auf weiteres auf eine Reparatur des Fahrzeugs oder eine Ersatzbeschaffung verzichtet.
Rz. 53
Es ist jedoch bereits grundsätzlich fraglich, ob derjenige, der zum Unfallzeitpunkt offenkundig ein Kfz gefahren hat, das nun unfallbedingt nicht mehr fahrfähig ist, den weitergehenden Nutzungswillen überhaupt noch darlegen und beweisen muss oder ob dieser angesichts der zuvor tatsächlich stattgefundenen Nutzung indiziert ist (letzteres OLG Düsseldorf VersR 2019, 1237; LG Nürnberg-Fürth DAR 2000, 72; LG Kaiserslautern DAR 2013, 517; AG Heilbronn SP 1999, 381; AG Berlin-Mitte SP 1999, 382). Es wäre dann Aufgabe des Schädigers, den Nachweis zu führen, dass der Geschädigte seinen grundsätzlich stets zu unterstellenden Nutzungswillen (aus welchem Grunde auch immer) nunmehr aufgegeben hat.
Rz. 54
Darüber gibt es regelmäßig Streit mit den Versicherern, die ohne Neuanschaffungs- bzw. Reparaturnachweis den Ausgleich der Mietwagenkosten oder des Nutzungsausfallschadens verweigern. Nach der regelmäßig von den Versicherern vertretenen Auffassung ist der Nutzungswille stets durch eine Neuanschaffung (oder im Reparaturfalle: den Nachweis der Reparatur) zu dokumentieren (so auch OLG Hamm zfs 2002, 132).
Rz. 55
Dem Geschädigten ist es aber nicht anzulasten, dass er sich z.B. aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sieht, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen oder die Reparatur vorzufinanzieren. Immerhin hätte der Geschädigte ohne den Unfall sein bisher genutztes Fahrzeug weiternutzen können (Gedanke der Naturalrestitution), d.h. bis zum Unfall lässt sich der Nutzungswille kaum bestreiten. Dieser grundsätzlich vorhandene Nutzungswille wird nicht dadurch beseitigt, dass der Geschädigte aufgrund des Unfalls kein Ersatzfahrzeug anschafft, denn hierfür kann es unterschiedliche Gründe geben (OLG Düsseldorf VersR 2019, 1237; KG VersR 2004, 1620 = NZV 2004, 470; OLG Düsseldorf NZV 2003, 379; OLG Stuttgart DAR 2000, 35; LG Braunschweig VersR 2006, 1139 = NZV 2006, 41). Dies ist inzwischen auch vom BGH ausdrücklich bestätigt worden, wonach "der Ersatzpflichtige für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich auch dann eine Entschädigung zu leisten [hat], wenn sich der Geschädigte einen Ersatzwagen nicht beschafft hat" (BGH v. 10.6.2008 – VI ZR 248/07 – Rn 8, VersR 2008, 1086 = zfs 2008, 501).
Rz. 56
Es wäre wesentlich praktikabler, wenn in solchen Fällen der Nutzungsausfallanspruch – zumindest im Rahmen der Ausfallschätzung des Sachverständigen – ohne Neuanschaffungsnachweis gezahlt würde. Nur ganz wenige Versicherer verzichten aus Gründen der Reduzierung des Verwaltungsaufwandes auf den Nachweis und regulieren auf der Basi...