1. In der Haftpflichtversicherung
Rz. 602
Bereits mit der Meldung eines Schadensfalles wird der Schadenfreiheitsrabatt bei der eigenen Haftpflichtversicherung belastet. Der Versicherer muss Rückstellungen in noch nicht genau absehbarem Umfang bilden.
Rz. 603
Soweit der Versicherer in einem Schadensfall dann tatsächlich reguliert hat, verbleibt es bei der Belastung und es entsteht für den Geschädigten ein entsprechender Rückstufungsschaden.
Rz. 604
Da der Haftpflichtversicherer jedoch die alleinige Regulierungsbefugnis hat (§ 10 Abs. 5 AKB bzw. A.1.1.4 AKB 2008), ist dieser Schaden allein auf dessen Veranlassung zurückzuführen und demzufolge als reiner Vermögensschaden vom Schädiger als adäquat verursachte Schadensfolge nicht zu ersetzen.
Rz. 605
Der Verlust des Schadenfreiheitsrabatts in der Kfz-Haftpflichtversicherung stellt einen Vermögensnachteil dar, der seine Ursache nicht in der Beschädigung des eigenen Fahrzeugs, sondern darin hat, dass ein fremdes Fahrzeug beschädigt oder ein Mensch verletzt wurde und der Schädiger dafür haftpflichtig gemacht worden ist. Daher wird dieser Schaden vom Schutzzweck der Haftungsnorm nicht umfasst.
Rz. 606
Die Belastung mit einer höheren Versicherungsprämie in der Kfz-Haftpflichtversicherung stellt somit keinen nach StVG oder BGB ersetzbaren Schaden dar (BGH VersR 1978, 235; 1977, 767). Es ist dann nämlich kein (absolutes) Recht des Geschädigten, sondern ein (fremdes) Recht des Versicherers betroffen.
2. In der Kaskoversicherung
a) Als reines Kreditmittel
Rz. 607
Anders ist das in der Kaskoversicherung: Wenn der Geschädigte seine Kaskoversicherung allein wegen verzögerlichen Regulierungsverhaltens des Versicherers des Schädigers in Anspruch nimmt, ist der dadurch bedingte Rückstufungsschaden eine adäquate Folge des Unfallgeschehens und demnach ein vom Schädiger zu ersetzender Schaden (BGH zfs 1992, 48). Der BGH hat allerdings inzwischen klargestellt, dass – jedenfalls in Mithaftungsfällen – keine Verpflichtung des Geschädigten besteht, vor einer Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung die Regulierungsbereitschaft des gegnerischen Haftpflichtversicherers abzuwarten (BGH VersR 2007, 81 = zfs 2007, 87 = DAR 2007, 21 = NZV 2007, 30).
Rz. 608
Dabei ist aber stets zu beachten, dass die Kaskoinanspruchnahme nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstößt. Sie muss demzufolge in einem vernünftigen Verhältnis zu alternativ in Betracht kommenden Kreditkosten und zum übrigen Gesamtschaden stehen. Bei vergleichsweise geringen Schäden dürfte sich die Kaskoinanspruchnahme daher verbieten.
b) Bei Leistungsverbesserungen
Rz. 609
Wenn der Geschädigte jedoch die Kaskoversicherung auch wegen des höheren Leistungsumfanges in Anspruch nimmt, hatte er nach einem Teil der Rechtsprechung keinen Anspruch auf Ersatz des Rückstufungsschadens (OLG Saarbrücken zfs 1986, 70; LG Bremen zfs 1993, 267).
Rz. 610
Einen höheren Leistungsumfang gab es zum einen bei der sog. Neupreisentschädigung, die inzwischen in den AKB kaum noch vereinbart wird. In Betracht kommt aber immer noch eine Kaskoinanspruchnahme anstelle einer durch die Haftungsquote belasteten Haftpflichtregulierung. In solchen Fällen führt die Kaskoregulierung zu einem höheren Leistungsumfang als bei quotenbelasteter Haftpflichtregulierung.
Rz. 611
Der BGH hat inzwischen entschieden, dass der Schadenfreiheitsrabattverlust auch dann zu ersetzen ist, wenn die Vollkaskoversicherung bei nur anteiliger Haftung auch wegen des vom Geschädigten anderenfalls zu tragenden Schadenteils in Anspruch genommen wird (BGH VersR 2006, 1139 = zfs 2006, 680 m. Anm. Diehl = DAR 2006, 574).
Rz. 612
Erfolgt die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung aus Gründen der Mithaftung wegen des Quotenvorrechts des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG, kann der Rückstufungsschaden auch nur entsprechend der Mithaftungsquote ausgeglichen werden.
Rz. 613
Da die künftige Beitragsentwicklung jedoch z.B. auch davon abhängig ist, inwieweit der Geschädigte in den nächsten Jahren schadenfrei bleibt, ist eine zuverlässige Prognose für den Zukunftsschaden nicht möglich. Demzufolge kann der Zukunftsschaden auch nur im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden (BGH zfs 1992, 48). Vgl. dazu bereits die Ausführungen oben (siehe Rdn 405).