Rz. 329
Die Kosten für das Abschleppen eines unfallbedingt fahrunfähig gewordenen Fahrzeugs sind adäquater Folgeschaden und daher grundsätzlich zu ersetzen.
Rz. 330
Streit herrscht immer wieder über die Entfernung bei zu erstattenden Abschleppkosten. Die Assekuranz wendet immer wieder einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ein, wenn das Fahrzeug nicht zur nächstgelegenen Fachwerkstatt, sondern gar über lange Strecken in die heimische Werkstatt des Vertrauens des Geschädigten transportiert wird.
Rz. 331
Eine allgemeingültige Rechtsprechung gibt es zu diesem Problemkreis nicht. Entscheidend ist die Frage der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten und der Gesamtumstände des Falles. Allerdings wird sehr wohl auch die Auffassung vertreten, dass stets dann, wenn der Wohnort des Geschädigten und der Unfall- bzw. Reparaturort nicht identisch sind, der Geschädigte auch nicht verpflichtet ist, Freizeit zu opfern, um das reparierte Fahrzeug selbst abzuholen. Er hat dann vielmehr das Recht, sich auf Kosten des Schädigers das Fahrzeug zuführen zu lassen (AG Freiburg DAR 1999, 554).
Rz. 332
Hat sich der Unfall in einer vertretbaren Nähe zum Wohnort des Geschädigten ereignet (Vorschlag: bis 100 km), dann wird ein Abschleppen in die Werkstatt des Vertrauens nicht zu beanstanden sein.
Rz. 333
Wenn das Fahrzeug von einem Abschleppunternehmer untergestellt wurde, er aber nur eine "Billigwerkstatt" betreibt oder die Gesamtumstände dort nicht vertrauenerweckend sind, ist der Geschädigte berechtigt, ein weiteres Abschleppen z.B. zu einer Fachwerkstatt zu veranlassen, zumal er auf die Auswahl des Abschleppunternehmers vor Ort meist keinen Einfluss hat, weil dieser in der Regel von der Polizei herbeigerufen wird.
Rz. 334
Tipp
Achtung: Es gibt Abschleppunternehmer, die sich die Folgereparaturaufträge mit abenteuerlicher Dreistigkeit "ergaunern": Sie beginnen ohne Auftrag sofort die Reparatur und erklären dann dem erstaunten Kunden, sie hätten gedacht, das sei in seinem Interesse oder sie hätten diese und jene Erklärung des Kunden als Auftrag verstanden. Nun sei es aber doch das Beste, die Reparatur so schnell wie möglich fertig zu stellen. Außerdem würden sie das Fahrzeug ohne Bezahlung der bisher durchgeführten und nützlichen Reparaturverwendungen nicht herausgeben. Sie machen von ihrem Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch. Das Herausklagen des Fahrzeugs dauert viel zu lange, einstweilige Verfügungen bewirken nur eine Herausgabe an einen Sequester und so kann allenfalls der Staatsanwalt helfen. Jedenfalls dürften die Kosten für den dadurch bedingten Nutzungsausfall von dem Schädiger Zug um Zug gegen Abtretung der Regressansprüche gegen den Abschleppunternehmer zu tragen sein, wenn den Geschädigten kein Auswahlverschulden bezüglich des Abschleppunternehmers trifft (z.B. bei Bestellung durch die Polizei oder Vertrauensvorschuss, weil ADAC-Vertragsunternehmen).
Rz. 335
Wenn die Reisekosten von der Unfallstelle nach Hause (z.B. wenn mehrere Personen im Fahrzeug mitgefahren sind) höher sind als die Abschleppkosten von der Unfallstelle nach Hause (z.B. durch das Mitfahren im Abschleppfahrzeug), dann sind die vollen Abschleppkosten u.U. auch dann zu ersetzen, wenn die Fahrt über sehr große Distanzen führt.
Rz. 336
Tipp
Oft hilft die Gegenüberstellung von tatsächlichen Abschleppkosten zu potentiellen Reisekosten einschließlich des zu ersetzenden Zeitverlustes des Geschädigten und etwaiger Übernachtungskosten für die ganze Familie, den Versicherer zu überzeugen, dass das Abschleppen billiger war. Das gilt insbesondere bei Reparaturfällen, bei denen der Geschädigte wieder zu der Werkstatt vor Ort zurückreisen muss, um sein Fahrzeug abzuholen.
Rz. 337
Liegt erkennbar ein Totalschaden vor, ist das Fahrzeug zum nächstgelegenen Schrottplatz oder einem Abstellplatz zu schleppen. Ein Transport nach Hause zum Händler des Vertrauens der besseren Verwertbarkeit wegen wäre wohl in der Regel ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht. Stellt sich aber doch noch eine Reparaturwürdigkeit heraus (z.B. 130-%-Regelung), dann wird ein weiteres Abschleppen erforderlich und ist auch zu ersetzen.
Rz. 338
Ausnahme: Wenn ein Neuwagen angeschafft werden soll und der Hersteller im Rahmen einer Werbeaktion besonders hohe Preise für ein in Zahlung zu nehmendes Altfahrzeug zahlt (z.B. Opel und Ford 1996: 3.000 DM bei Neukauf für Altfahrzeug mit nicht geregeltem Kat), dann ist der Rücktransport zum Händler des Vertrauens gerechtfertigt. Dem Geschädigten ist nicht zuzumuten, auf diesen wirtschaftlichen Vorteil nur deshalb zu verzichten, weil er – durch den Schädiger verursacht – nun sein verunfalltes Fahrzeug nicht mehr bei dem Händler in Zahlung geben kann. Auch hier ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne den Unfall stünde.
Rz. 339
Wenn der Geschädigte das Fahrzeug in Eigenregie reparieren will und er es allein deshalb über eine lange Strecke nach Hause abschleppen lässt, dürften dadurch entstehende unverhältnismä...