I. Allgemeines
1. Rechtslage ab 1.1.2009
Rz. 11
Wegweisend für die Bewertung im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ist der Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006, wonach der Gesetzgeber verpflichtet wurde, die Ermittlung der erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Bereicherung insbesondere durch die Vermeidung verschiedener Bewertungsmethoden für unterschiedliche Vermögensgegenstände auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Dem ist der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2009 nachgekommen, mit der Folge, dass grundsätzlich sämtliche Vermögensgegenstände einheitlich, nämlich mit dem gemeinen Wert, zu bewerten sind.
Rz. 12
Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 2 S. 1 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 S. 1 BewG. Der gemeine Wert steht mithin dem Verkehrswert bzw. Marktwert gleich.
Rz. 13
Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 S. 3 BewG. Ungewöhnliche Umstände sind solche, mit denen bei der Schätzung des Werts eines Wirtschaftsgutes üblicherweise nicht gerechnet werden muss. Persönliche Verhältnisse haben ihren Grund regelmäßig in Verwandtschaftsbeziehungen, die den Preis bzw. Wert eines Wirtschaftsgutes in der Regel beeinflussen.
Rz. 14
Gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 BewG sind auch Verfügungsbeschränkungen bei der Bewertung unbeachtlich, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Dies gilt etwa für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen (z.B. langjährige Veräußerungsverbote bei Nachlassimmobilien), oder für Rücktrittsvorbehalte, die im Rahmen der lebzeitigen Übertragung von Immobilienvermögen bei Verfügung durch den Beschenkten vorbehalten wurden (siehe § 1 Rdn 107 ff.>).
2. Rechtslage bis 31.12.2008
Rz. 15
Das bis zum 31.12.2008 geltende Bewertungsrecht wird in der Praxis nur noch in seltenen Fällen eine Rolle spielen. Beispielsweise bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe i.S.d. § 14 ErbStG (siehe § 7 Rdn 7>) greifen dann noch die alten Bewertungsvorschriften.
II. Bewertung von beweglichen Vermögen
Rz. 16
Sofern § 12 ErbStG i.V.m. dem BewG keine besonderen Regelungen bzw. Bewertungsverfahren vorsieht, gilt für die Bewertung der gemeine Wert i.S.d. § 9 BewG. Dies gilt für bewegliche Sachen, wie z.B. Hausrat, Kleidungsstücke, Kraftfahrzeuge, elektronische Geräte, Kunstgegenstände, Münzen, Edelmetalle oder Edelsteine. Wertpapiere sind grundsätzlich mit dem am Stichtag für sie notierten Kurs, § 11 Abs. 1 BewG, Kapitalforderungen und Schulden (z.B. Pflichtteilsanspruch) sind mit deren Nennwert zu bewerten, § 12 Abs. 1 BewG. Forderungen, die uneinbringlich sind, bleiben außer Ansatz, § 12 Abs. 2 BewG. Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen werden mit dem Rückkaufswert bewertet, d.h. dem Betrag, den das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zu erstatten hat, § 12 Abs. 4 BewG.
III. Bewertung von Grundvermögen
1. Allgemeines
Rz. 17
Seit dem 1.1.2009 gilt für sämtliches bebautes und unbebautes Grundvermögen als Bewertungsmaßstab der gemeine Wert i.S.d. § 9 BewG. Die Bewertung von Grundvermögen mit dem (am Markt orientierten) Verkehrswert führt gerade in Ballungsgebieten mit hohen Immobilienpreisen im Vergleich zur Bewertung nach altem Recht zu einem erheblichen Anstieg der steuerlichen Werte und damit letztlich der Steuerlast im Erb- und Schenkungsfall.
2. Grundbesitz
Rz. 18
Im Erbschafts- und Schenkungsfall ist inländischer Grundbesitz (§ 19 Abs. 1 BewG) mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG; siehe Rdn 7 ff.>) festgestellten Wert anzusetzen, § 12 Abs. 3 ErbStG. Der Grundbesitzwert wird dabei gesondert durch das Lagefinanzamt festgestellt (§ 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG) und dem Erbschaftsteuerfinanzamt mitgeteilt. Es handelt sich insoweit um einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO. Die Bewertung von Grundvermögen durch das Lagefinanzamt – insbesondere in Ballungszentren – kann teils Jahre dauern, so dass ein zwischenzeitlich ergangener Erbschaftsteuerbescheid dann gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO Jahre später noch geändert werden kann. Die Grundbesitzwerte sind unter Anwendung der typisierenden Verfahren des 6. Abschnitts des Bewertungsgesetzes, §§ 176–198 BewG, zu ermitteln.
3. Grundvermögen
Rz. 19
Die Legaldefinition zum Grundvermögen findet sich in § 176 Abs. 1 BewG. Demnach gehören zum Grundvermögen
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der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, |
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das Erbbaurecht, |
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das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz, |
soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder um Betriebsgrundstücke handelt. Nicht vom Grundvermögen erfasst – und damit grundsätzlich eigenständig zu bewerten – sind Bodenschätze sowie Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), §...