1. Rechtsgrundlagen
Rz. 98
Sofern – wie in der Praxis regelmäßig der Fall – kein stichtagsnaher Verkauf vorliegt (siehe Rdn 103 f.>), kann der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Verkehrswertgutachten erbracht werden. Für die Begutachtung gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften, mithin die
wobei sämtliche wertbeeinflussenden Umstände zu berücksichtigen sind.
2. Auswahl des Gutachters
Rz. 99
Nach gefestigter Auffassung des BFH kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG durch Vorlage eines Gutachtens nur durch ein Gutachten erbracht werden, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat. Nach der Finanzverwaltung hingegen kann der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig (auch) durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen erbringen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügt. Dies sind Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind.
Hinweis
Zu beachten ist im Lichte eines späteren finanzgerichtlichen Verfahrens (also bei Scheitern des Einspruchs), dass der BFH einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung verlangt.
3. Bindungswirkung des Gutachtens
Rz. 100
Das Gutachten – auch wenn der Steuerpflichtige einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeschaltet hat – ist für die Finanzverwaltung nicht bindend, sondern unterliegt der freien Beweiswürdigung des zuständigen Finanzamts und nachfolgend der Finanzgerichtsbarkeit. Diese dürfen und müssen das Gutachten zunächst auf Plausibilität und dann inhaltlich auf sachliche Richtigkeit hin überprüfen. Ist es unschlüssig bzw. enthält es Mängel (z.B. methodische Mängel oder unzutreffende Wertansätze), kann das Finanzamt das Gutachten schlicht (ohne eigenes Gegengutachten) zurückweisen. Geht das Gutachten hingegen von richtigen Tatsachen aus, folgt es einem logischen Aufbau, kommt es zu schlüssigen Ergebnissen und entspricht es der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), ist regelmäßig der im Gutachten ermittelte Wert anzusetzen.
4. Gutachterkosten
Rz. 101
Die Kosten für das Gutachten trägt stets der Steuerpflichtige, also auch in dem Fall, in dem der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (erst) im finanzgerichtlichen Verfahren gelingt.
Bei einer Grundstücksschenkung sind die Kosten im vollen Umfang abzugsfähig, wenn sie im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung bzw. Feststellungserklärung angefallen sind (siehe § 1 Rdn 203>). Gleiches gilt für Gutachterkosten zur Ermittlung eines gemeinen Werts im Rahmen eines anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens, eines finanzgerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens, in dem die Änderung der Wertfeststellung beantragt wird, sind – wie die Verfahrenskosten selbst – bei einer Schenkung nicht absetzbar (siehe § 1 Rdn 204>).
Rz. 102
Im Rahmen der Erbauseinandersetzung sind nach Ansicht des BFH die Sachverständigenkosten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen anfallen, was regelmäßig der Fall sein wird. Dies gilt auch, wenn das Gutachten erst im Rechtsbehelfsverfahren eingeholt wird.