1. Allgemeines
Rz. 106
Bei der Bewertung von Grundvermögen kommt ein Gutachten immer dann in Betracht, wenn wertmindernde Umstände vorliegen, die im Rahmen der typisierenden und pauschalierenden Bewertungsverfahren unberücksichtigt bleiben.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist ein Gutachten nur für die gesamte Immobilie möglich, d.h., ein isolierter Nachweis von Bewertungsgrundlagen (z.B. nur Instandhaltungsrückstau bei einem Gebäude; nur der Grund- und Bodenwert bei einem bebauten Grundstück; nur der Nachweis niedrigerer Bewirtschaftungskosten) ist unzulässig. Lediglich der Einzelnachweis der üblichen Miete (siehe Rdn 57>) ist zulässig.
2. Unbebaute Grundstücke und Grund und Boden
Rz. 107
Individuelle Wertminderungsgründe eines Grundstücks bleiben im Rahmen der Bewertung grundsätzlich außer Ansatz, wie z.B. Ecklage, Zuschnitt, Oberflächenbeschaffenheit, Beschaffenheit des Baugrunds, Außenanlagen, Lärm-, Rauch- und Staubbelästigungen, Altlasten und Grunddienstbarkeiten. Gleiches gilt für Rechte und Lasten öffentlich-rechtlicher Art, die sich u.a. aus dem Planungs-, Bauordnungs- und Abgabenrecht sowie aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht ergeben können, sowie für privatrechtliche Rechte und Lasten, insbesondere dinglich gesicherte Nutzungsrechte, Erbbaurechte, Vorkaufsrechte sowie langfristige Miet- und Pachtverträge.
Rz. 108
Neben den vorgenannten Wertminderungsgründen spielt für die Frage nach einer Begutachtung eine Reihe weiterer Umstände tatsächlicher Art, wie etwa Emissionen und Immissionen durch Mülldeponien oder Biogasanlagen, eine Rolle. Dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn diese Faktoren bereits im Rahmen des Bodenrichtwerts (siehe Rdn 24>) Berücksichtigung gefunden haben: Beeinträchtigungen, die sich auf alle Grundstücke einer größeren Bodenrichtwertzone ausgewirkt haben, sind daher für einen Verkehrswertnachweis grundsätzlich nicht relevant.
Hinweis
In der Praxis kommt es bei bebauten wie unbebauten Grundstücken regelmäßig zu Anpassungen des Bodenrichtwerts (siehe Rdn 26 ff.>). Gerade bei der Frage der zulässigen Geschossflächenzahl kann die Einholung eines Gutachtens, das die Umgebungsbebauung i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB berücksichtigt, zu erheblichen Abweichungen zugunsten des Steuerpflichtigen führen.
3. Bebaute Grundstücke
Rz. 109
Die Bewertung bebauter Grundstücke des Grundvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer erfolgt in Abhängigkeit der Grundstücksart nach dem dann einschlägigen Bewertungsverfahren, vgl. § 182 BewG (siehe Rdn 38>). Die Typisierungen und Pauschalierungen in diesen Verfahren geben an diversen Stellen Anlass zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verkehrswertgutachtens.
a) Vergleichswertverfahren
Rz. 110
Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens bleiben Besonderheiten, wie privatrechtliche und öffentlich-rechtliche wertbeeinflussende Belastungen, unberücksichtigt. Öffentlich-rechtliche Lasten ergeben sich u.a. aus dem Planungs-, Bauordnungs- und Abgabenrecht sowie aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht. Privatrechtliche Rechte und Lasten sind dinglich gesicherte Nutzungsrechte (Nießbrauch, Wohnungsrechte), Erbbaurechte, Vorkaufsrechte sowie langfristige Miet- und Pachtverträge. Im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens i.S.d. § 198 BewG sind diese wertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften zu berücksichtigen. Besteht etwa ein Nießbrauch oder ein Wohnrecht, findet dies im Rahmen der Bewertung Berücksichtigung. Gleiches gilt für Leibrenten. Zu beachten ist aber, dass insbesondere beim Nießbrauch und beim Wohnrecht die Vorschrift des § 16 BewG, mithin die Deckelung des Jahreswerts auf das 18,6-fache des nach dem BewG anzusetzenden Werts der Immobilie (siehe § 1 Rdn 33>), nicht greift.
b) Sachwertverfahren
Rz. 111
Im Zusammenhang mit dem Verkehrswertnachweis sind im Sachwertverfahren insbesondere die Alterswertminderung (siehe Rdn 77 f.>) sowie die Marktanpassung (siehe Rdn 80>) interessant. Nach § 190 Abs. 4 S. 5 BewG ist der nach Abzug der Alterswertminderung verbleibende Gebäudewert regelmäßig mit mindestens 30 % des Gebäuderegelherstellungswerts anzusetzen. Bauschäden, Instandhaltungs- und Reparaturstau bleiben auch in diesem typisierenden Bewertungsverfahren unberücksichtigt. In einschlägigen Sachwertfällen ist es mithin sinnvoll, ein Vorgehen i.S.d. § 198 BewG zu prüfen. Zudem lassen die pauschalierenden Wertzahlen der Anlage 25 zu § 191 Abs. 2 BewG einen regionalen Bezug völlig außer Acht und stellen nur auf grob gegliederte vorläufige Sachwerte ab, so dass die Prüfung eines Verkehrswertnachweises in einschlägigen Fällen angezeigt ist.
c) Ertragswertverfahren
Rz. 112
Im Ertragswertverfahren bieten mehrere wertbildende Faktoren Anknüpfungspunkte für die Einholung eines Sachverständigengu...