Isabelle Losch, Walter Krug
1. Erbscheinsverfahren
Rz. 68
Das Nachlassgericht hat im Rahmen des Erbscheinsverfahrens gem. § 26 FamFG von Amts wegen zu ermitteln und dementsprechend dem §§ 29, 30 FamFG Beweis zu erheben, ob die Testierfähigkeit bestand, sofern Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vorliegen. Denn allein "pauschale" Behauptungen zur Testierunfähigkeit reichen nicht. Vielmehr müssen diese substantiiert vorgetragen werden oder sich aus anderen Umständen ergeben. Eine förmliche Beweisaufnahme gem § 30 FamFG ist jedoch nur dann durchzuführen, wenn durch sonstige Ermittlungen keine hinreichend sichere Aufklärung erfolgen kann.
Rz. 69
Wenn aufgrund der Darlegung konkreter auffälliger Verhaltensweisen oder psychischer Eigenheiten des Erblassers die Behauptung der Testierunfähigkeit vorgetragen wird, besteht die Ermittlungspflicht des Nachlassgerichtes. Jedoch entbindet dies nicht die Beteiligten, bei der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Rz. 70
Es ist dabei zu beachten, dass jeweils die Art und der Umfang der Ermittlungen einzelfallbezogen sind. Das Gericht entscheidet darüber nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne an die Beweisanträge der Parteien gebunden zu sein. Die Ermittlungen sind jedoch soweit auszudehnen, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist. Zuvor soll es zu keinem Abschluss der Beweisaufnahme kommen. Weitere Ermittlungen, die zu einem sachdienlichen, die Entscheidung beeinflussenden Ergebnis führen, sind somit anzustellen. Dies setzt eine sorgfältige Untersuchung unter Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände voraus. Im Rahmen dessen ist der maßgebliche Sachverhalt ausreichend erforscht, § 26 FamFG, wenn bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind. Jedoch darf das Gericht hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen sowie die Beweisanforderungen vernachlässigen oder überspannen.
2. Grundbuchverfahren
Rz. 71
Im Grundbuchverfahren stellt sich häufig bei Vorlage der letztwilligen Verfügung nebst Eröffnungsprotokoll die Frage, ob das Grundbuchamt bei Kenntniserlangung einer möglichen Testierunfähigkeit des Erblassers die Vorlage eines Erbscheins oder Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen kann. Gem. § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO darf das Grundbuchamt lediglich die Vorlage eines Erbscheins oder Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts wirkliche Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können. Liegt dem Grundbuchamt jedoch eine rechtskräftig bindende Entscheidung eines Gerichts vor, wonach der als testamentarischer Erbe Bestimmte auch Inhaber des Erbrechts ist, selbst dann, wenn es sich um ein Anerkenntnisurteil handelt, so hat das Grundbuchamt keine weiteren eigenen Ermittlungen anzustellen, sondern die vorliegende öffentliche Urkunde zu berücksichtigen.
3. Zivilprozess
Rz. 72
Auch im streitigen Verfahren gilt, dass jeder Volljährige als testierfähig vermutet wird, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Im Rahmen eines Rechtsstreits über das Erbrecht hat derjenige, der die mangelnde Testierfähigkeit behauptet, diese zu beweisen. Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme aufzuklären, ob und inwieweit der Parteivortrag Tatsachen beinhaltet, die einer Entscheidung zugrunde gelegt werden können.
4. Selbstständiges Beweisverfahren
Rz. 73
Lebzeitige Feststellungen zum Geisteszustand des späteren Erblassers können u.U. in einem selbstständigen Beweisverfahren getroffen werden. In der Regel besteht hierfür jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. § 8 Rdn 75.