Rz. 26
M und F leben seit kurzem getrennt. Ihre beiden Kinder vjK, 19 Jahre, und K, 16 Jahre, leben bei F und besuchen noch das Gymnasium. Das bereinigte Nettoeinkommen des M beträgt monatlich 1.800 EUR, das der F 450 EUR. F kann kein höheres Einkommen erzielen. F verlangt für sich und das minderjährige Kind K Unterhalt von M. Auch das volljährige Kind vjK verlangt Unterhalt von M.
I. Kindesunterhalt
1. Unterhalt für das volljährige Kind
Rz. 27
Vgl. hierzu zunächst die Fälle 27 bis 29 (§ 6 Rdn 1, 15, § 7 Rdn 1).
Rz. 28
VjK ist bereits volljährig. Aber der Unterhaltsbedarf bestimmt sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT), weil er bei seiner Mutter lebt. (siehe hierzu Nr. 13.1 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien bzw. der SüdL, Anhang Nr. 3).
Aufgrund der Volljährigkeit ist auch F dem vjK barunterhaltspflichtig. Nur beim minderjährigen Kind erfüllt der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung.
F ist jedoch offensichtlich nicht leistungsfähig. Somit ist auch für das volljährige Kind nur das Einkommen von M maßgebend.
2. Unterhalt für das minderjährige Kind
Rz. 29
Der Unterhalt für das minderjährige Kind bestimmt sich ohnehin nach der DT.
3. Bedarf der Kinder
Rz. 30
Der Bedarf beider Kinder richtet sich nach der DT und, wie eben festgestellt, wegen Leistungsunfähigkeit der Kindsmutter auch beim volljährigen Kind nur nach dem Einkommen des M. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1) verwiesen.
Rz. 31
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.800 EUR. Er fällt deshalb in Gruppe 1 (bis 1.900 EUR). M ist drei Personen, hier zwei Kindern und einer Ehefrau, zum Unterhalt verpflichtet. Eine Herabstufung ist jedoch nicht möglich, da ohnehin nur die erste Einkommensgruppe zur Anwendung kommt. Es bleibt deshalb grundsätzlich bei Gruppe 1 (bis 1.900 EUR).
Rz. 32
Kind vjK ist 20 Jahre alt und fällt somit in die Altersstufe 4 der Gruppe 1. Sein Bedarf beträgt 569 EUR. Das ganze Kindergeld von 219 EUR ist bedarfsdeckend anzurechnen, so dass 350 EUR (569 – 219 EUR) verbleiben.
Rz. 33
Kind K ist 16 Jahre alt und fällt somit in die Altersstufe 3 der Gruppe 1. Sein Bedarf beträgt 533 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K beträgt somit 423,50 EUR (533 – 109,50 EUR).
4. Leistungsfähigkeit
Rz. 34
Bereits nach Abzug des Kindesunterhalts blieben M nur 1.026,50 EUR (1.800 – 350 – 423,50 EUR). Sein notwendiger Selbstbehalt von 1.160 EUR ist nicht gewahrt.
SüdL
21 Selbstbehalt
21.1 Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 II BGB), dem angemessenen (§ 1603 I BGB) und dem eheangemessenen Selbstbehalt (§§ 1361 I, 1578 I BGB).
21.2 Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und diesen nach § 1603 II 2 BGB gleichgestellten Kindern gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme.
Er beträgt
▪ |
beim Nichterwerbstätigen 960 EUR |
▪ |
beim Erwerbstätigen 1.160 EUR. |
Hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 430 EUR enthalten.
[…]
21.4 Gegenüber Ehegatten gilt grundsätzlich der Ehegattenmindestselbstbehalt (= Eigenbedarf). Er beträgt in der Regel für Erwerbstätige 1.280 EUR und für Nichterwerbstätige 1.180 EUR.
Rz. 35
Hinzu kommt, dass M auch noch der Ehefrau F zum Unterhalt verpflichtet ist.
II. Ehegattenunterhalt
Rz. 36
Eine Ermittlung des Ehegattenunterhalts ist entbehrlich, weil beide Kinder vorrangig sind – infolge Privilegierung auch das volljährige Kind – und M bereits den Kindesunterhalt nicht voll leisten kann (zum nicht privilegierten volljährigen Kind vgl. Fall 32, siehe Rdn 44).
Rz. 37
Die Kinder sind gegenüber der Ehefrau vorrangig.
§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
1. |
minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2, |
2. |
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen, |
3. |
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen, |
4. |
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen, |
5. |
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge, |
6. |
Eltern, |
7. |
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor. |
Rz. 38
Vorrangig ist deshalb der Unterhalt für die beiden Kinder zu erfüllen. Für F sind keine Mittel vorhanden.
III. Zurück zum Kindesunterhalt
Rz. 39
In Bezug auf den Kindesunterhalt ist ein echter Mangelfall gegeben. VjK und K sind gleichrangig. VjK ist zwar volljährig, aber unter 21 Jahre alt. Zudem lebt er im Haushalt eines Elternteils und befindet sich in allgemeiner Schulausbildung. VjK ist also ein privilegiertes Kind im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 2 ist.
§ 1603 Leistungsfähigkeit
(1) […]
(2) […] Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternt...