a) Klärung strittiger Rechtsfragen
Rz. 154
An die Erfolgsaussichten wird oft ein zu enger Prüfungsmaßstab gelegt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu führen, dass die Hauptsacheentscheidung praktisch im VKH-Prüfungsverfahren vorweggenommen wird. Nach Ansicht des BGH und BVerfG ist die Erfolgsaussicht grundsätzlich zu bejahen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung grundsätzliche Fragen aufwirft, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen.
Rz. 155
Auch wenn die Rechtsprechung strittig ist, muss nach der Rechtsprechung des BGH im Zweifel VKH bewilligt werden und darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass das hier betroffene OLG die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers entscheiden will.
"1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (im Anschluss an Senat NJW 2004, 2022; FamRZ 2013, 369)."
2. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde zum BGH wirksam nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (im Anschluss an Senat FamRZ 2010, 1425).“
Rz. 156
Auch das BVerfG fordert die Bewilligung der VKH, wenn eine höchst strittige Rechtsfrage erst noch zu klären ist.
b) Beweisantizipation
Rz. 157
Zur Beweisantizipation (vorweggenommenen Beweiswürdigung) im VKH-Verfahren (hier für ein Verfassungsbeschwerdeverfahren) hat das BVerfG entschieden:
Zitat
"1. Die Verweigerung von Prozesskostenhilfe begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Daher ist auch eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren in begrenztem Rahmen zulässig. Die verfassungsgerichtliche Prüfung beschränkt sich in diesen Fällen darauf, ob konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme über die streitigen Tatsachen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde."
2. Im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde wird Prozesskostenhilfe nur unter strengen Voraussetzungen gewährt, weil das Verfahren kostenfrei ist und kein Anwaltszwang besteht. Sie wird daher nur gewährt, wenn dies unbedingt erforderlich erscheint, weil die betroffene Person nicht in der Lage ist, sich selbst zu vertreten." (LS d. Red.)
Rz. 158
Somit ist durch diese Rechtsprechung des BGH und BVerfG auch klargestellt, dass höchst strittige Rechtsfragen eben gerade nicht im VKH-Prüfungsverfahren zu klären sind und eine Beweisantizipation nur im engen Rahmen zulässig ist, und zwar dann, wenn ein sinnloser Rechtsstreit hierdurch vermieden wird. So hat denn auch das OLG Saarbrücken folgerichtig entschieden:
Zitat
"Die Frage, ob ein Trennungsunterhaltsanspruch – wegen einer nach § 1578 b BGB vorzunehmenden Befristung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt auf die Dauer von zwei Jahren, die bei zügiger Durchführung des Scheidungsverfahrens zu diesem Zeitpunkt abgelaufen gewesen wären – gem. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 8 BGB auf Null herabzusetzen ist, kann im Verfahrenskostenhilfeverfahren jedenfalls nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten durchentschieden werden.""
c) Wegfall der Erfolgsaussichten/Entscheidungsreife
Rz. 159
Ist die Erfolgsaussicht im Zeitraum zwischen dem Eingang ...