Rz. 1
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind verpflichtet, bei begründetem Anlass auf die Möglichkeiten von Beratungs- und Prozesskostenhilfe hinzuweisen, § 16 Abs. 1 BORA. Sobald ein Anwalt oder eine Anwältin daher die schlechten finanziellen Verhältnisse des Mandanten in Kenntnis gesetzt wird, ist der Hinweis auf die Möglichkeit zur Beantragung von VKH/PKH und die Tatsache, dass für das VKH-Antrags (Prüfungs-)Verfahren kein Anwaltszwang besteht, zu erteilen. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder bei Inanspruchnahme von Beratungshilfe dürfen von Mandanten oder Dritten Zahlungen oder Leistungen nur angenommen werden, die freiwillig und in Kenntnis der Tatsache gegeben werden, dass der Mandant oder der Dritte zu einer solchen Leistung nicht verpflichtet ist, § 16 Abs. 2 BORA. Die Verletzung der Hinweispflicht kann Schadenersatzansprüche des Mandanten nach sich ziehen. Bei Mandatsannahme sollte daher unbedingt darauf geachtet werden, ob Anhaltspunkte für einen möglichen PKH-/VKH-Anspruch vorhanden sind. Lehnt der Mandant/die Mandantin die Beantragung einer solchen ab, bietet es sich aus Nachweisgründen an, dies gegenüber dem Mandanten in einem Anschreiben nochmals festzuhalten ("Ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass möglicherweise ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe besteht und ein späterer Antrag erst im laufenden Verfahren finanzielle Nachteile für Sie haben kann. Sie haben die Stellung eines solchen Antrags ausdrücklich abgelehnt …."). Zur Thematik Verfahrenskostenhilfe und Vergütungsvereinbarung siehe auch § 3 Rdn 105 ff.
Rz. 2
Nach § 76 FamFG finden auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Verfahrenskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit in den §§ 76 bis 78 FamFG nichts anderes bestimmt ist. In Ehe- und Familienstreitsachen werden jedoch die Bestimmungen der Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 ff. FamFG für nicht anwendbar erklärt und auf die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend (und somit auch der dortigen Prozesskostenhilfe ab §§ 114 ff. ZPO) verwiesen, § 113 Abs. 1 FamFG. Dabei wird in § 113 Abs. 5 FamFG geregelt, dass statt des Begriffs "Prozess" der Begriff "Verfahren" zu verwenden ist. Somit existiert die reine Prozesskostenhilfe nach der ZPO für Ehe- und Familienstreitsachen (vgl. § 112 FamFG), die jedoch wg. der Regelung in § 113 Abs. 5 FamFG "Verfahrenskostenhilfe" heißt sowie die Verfahrenskostenhilfe für die übrigen Familiensachen, die nicht Ehe- und/oder Familienstreitsache sind, für die die §§ 76 ff. FamFG zur Anwendung kommen (vgl. dazu auch § 113 Abs. 1 FamFG).
Rz. 3
Ein Beschluss im Verfahrenskostenhilfeverfahren kann mit der sofortigen Beschwerde entsprechend §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 ZPO i.V.m. §§ 76 Abs. 1, 113 Abs. 1 FamFG angefochten werden.
Rz. 4
Zum 1.8.2013 sind einige kostenrechtliche Änderungen im Bereich der Prozesskostenhilfe erfolgt. Weitere verfahrensrechtliche Änderungen ergaben sich zum 1.1.2014 durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts. Das Gesetz wurde am 6.9.2013 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat zum 1.1.2014 in Kraft. Mit dem KostRÄG 2021 wurden weitere Änderungen, insbesondere im Bereich der §§ 55, 58 RVG vorgenommen; aber auch die Gebührentabelle nach § 49 RVG angehoben und um weitere 5 Wertstufen ergänzt. Die wesentlichen Änderungen durch diese beiden Gesetze werden in den jeweiligen Bereichen, in § 7 und § 8 dieses Werks behandelt.
Rz. 5
Im Verfahrenskostenhilfeverfahren (auch VKH-Bewilligungs- oder VKH-Prüfungsverfahren) prüft das Gericht das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. In diesem Verfahren wird dem Gegner Gelegenheit zu einer Stellungnahme zum Streitverhältnis gegeben. Das Gericht kann eine mündliche Erörterung anberaumen, wenn mit einer Einigung zu rechnen ist. Es kann auch Beweis erhoben werden, Zeugen und Sachverständige sind aber nur ausnahmsweise zu vernehmen.