1. Beiordnung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin
Rz. 6
Der RA beantragt nicht nur die Bewilligung von VKH, sondern gleichzeitig auch seine Beiordnung. Dabei konnte die Beiordnung aufgrund einer BGH-Entscheidung in 2008 auch auf den Namen der Sozietät erfolgen. Diese BGH-Rechtsprechung ist nun nicht mehr erforderlich, nachdem Berufsausübungsgesellschaften seit dem 1.8.2022 gem. §§ 59k, 59l BRAO als solche rechtsdienstleistungsbefugt und postulationsfähig sind.
Praxistipp
Es sollte grundsätzlich die Beiordnung auf den Namen der Berufsausübungsgesellschaft erfolgen, so dass bei einem etwaigen Ausscheiden des sachbearbeitenden Anwalts aus der Kanzlei das Mandat in der Kanzlei bleibt. Ist etwas anderes gewünscht, kann dies natürlich auch entsprechend vertraglich geregelt werden.
Rz. 7
§ 78 FamFG regelt die Beiordnung für reine "FamFG-Sachen":
"(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet."
(2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihm auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.“
Rz. 8
§ 121 ZPO regelt die Beiordnung in Ehe- und Familienstreitsachen, § 113 Abs. 1 FamFG:
"(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet."
(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.“
Rz. 9
Hinweis
Eine anwaltliche Beiordnung ist nach § 78 Abs. 2 FamFG nicht schon allein dann geboten, weil der andere Beteiligte anwaltlich vertreten ist. Allerdings ist dem Antragsteller ein Anwalt beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Rz. 10
§ 78 Abs. 3 FamFG schränkt die Beiordnung eines Anwalts dahin ein, dass ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Nur wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten nach § 78 Abs. 4 FamFG auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden. Es ist sehr zu kritisieren, dass der Gesetzgeber diese besonderen Umstände nicht näher definiert und Anwälte und Mandanten weiter der unterschiedlichen Rechtsprechung einzelner Gerichtsbezirke ausgesetzt sind.
Rz. 11
Obige Einschränkungen aus § 78 Abs. 4 FamFG gelten nur für Familiensachen, die nicht Ehe- und/oder Familienstreitsachen sind. Denn § 78 FamFG ist in Ehe- und Familienstreitsachen nicht anwendbar, § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG (§§ 121, 112 FamFG).
Familiensachen, die nicht Ehe- und Familienstreitsachen sind, sind:
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Kindschaftssachen, § 111 Nr. 2 FamFG |
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Abstammungssachen, § 111 Nr. 3 FamFG |
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Adoptionssachen, § 111 Nr. 4 FamFG |
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Ehewohnungs- und Haushaltssachen, § 111 Nr. 5 FamFG |
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Gewaltschutzsachen, § 111 Nr. 6 FamFG |
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Versorgungsausgleichssachen, § 111 Nr. 7 FamFG |
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Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG (d.h., Verfahren nach § 3 Abs. 2 S. 3 Bundeskindergeldgesetz und § 64 Abs. 2 S. 3 EStG), § 111 Nr. 8 FamFG (Achtung: alle anderen Unterhaltssachen wie Ehegatten- und Kindesunterhalt etc. sind Familienstreitsachen, § 112 Nr. 1 FamFG) |
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Güterrechtssachen nach § 261 Abs. 2 FamFG (d.h., z.B. Verfahren auf Übertragung eines Vermögensgegenstandes oder Stundung des Zugewinnausgleichsanspruchs), |