I. Systematik

1. Regelungsinhalt

a) Allgemeine Regelungen

 

Rz. 17

§§ 4446 WEG ersetzen die früheren Sonderregelungen der §§ 44, 45 und 4750 WEG a.F. mit erheblichen Änderungen. Deren wichtigste ist die Änderung der Passivlegitimation in § 44 Abs. 2 S. 1 WEG, da nun nicht mehr die Wohnungseigentümer Gegner der Beschlussklägers sind, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft. Hieraus resultieren nicht immer geglückte Folgeänderungen, etwa zur Bezeichnung der Beklagten bei einer Klage gegen alle Wohnungseigentümer, zur Zustellung an sie, zur Wirkung des Urteils und zur Kostentragung.

b) Sonderregelungen zu den Fristen der Anfechtungsklage (§ 45 WEG)

 

Rz. 18

Die Zusammenfassung von Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage und Vorschriften zur Beschlussklage sind insoweit irreführend, als für die Anfechtungsklage Sonderregelungen gelten. Dies betrifft die Fristen zur Erhebung und Begründung der Anfechtungsklage und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, die nach wie vor in einer eigenen Norm (§ 45 WEG) geregelt, aber in Wortlaut und Text unverändert sind.

2. Legaldefinition

 

Rz. 19

Über den Verweis in § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG ("Beschlussklagen gemäß § 44") bietet das Gesetz nunmehr eine Legaldefinition der Beschlussklage. Hierunter fallen jetzt nur nach Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklagen, nicht mehr die sonstigen früher § 43 Nr. 4 WEG zugeordneten Streitigkeiten der inneren Willensbildung wie Klagen auf Feststellung des Beschlussinhalts. Gleichzeitig definiert § 44 Abs. 1 S. 1 WEG in Übereinstimmung mit dem früheren Recht die Anfechtungsklage nach dem Ziel der Ungültigerklärung und die Nichtigkeitsklage nach dem Ziel der Nichtigkeitsfeststellung.

3. Sonstige Streitigkeiten über Fragen der Willensbildung

 

Rz. 20

Diese sonstigen Streitigkeiten über Fragen der inneren Willensbildung werden vom Gesetzgeber nach der klaren Definition nicht mehr der Beschlussklage nach § 44 WEG zugerechnet. Sie sind nunmehr in den Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern bzw. zwischen Wohnungseigentümern und Wohnungseigentümergemeinschaft auszutragen. Dies hat zur Folge, dass die Spezialregelungen für Beschlussklagen in diesen Verfahren nicht gelten. Insbesondere sind dort nicht die Fristen zur Klageerhebung und zur Klagebegründung gemäß § 45 S. 1 WEG einzuhalten, was nach früherem Recht streitig war. Ferner wirkt das Urteil in diesen Verfahren jenseits der Beschlussklagen, selbst wenn die Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet war, nicht gemäß § 44 Abs. 3 WEG für und gegen alle Wohnungseigentümer. Wünscht eine Partei, dass ihre Auffassung vom Inhalt eines Beschlusses auch gegen die übrigen Wohnungseigentümer bzw., wenn diese nicht Partei des Rechtsstreites waren, gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft wirkt, muss sie sich mit der Streitverkündung behelfen.

II. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage

1. Einheitlicher Streitgegenstand

 

Rz. 21

Hingegen dürfte es dabei bleiben, dass die Klage auf konstitutive Ungültigerklärung und diejenige auf deklaratorische Feststellung der Nichtigkeit denselben Streitgegenstand darstellen. Denn die Gesetzesmaterialien, die sich intensiv mit der Rechtsprechung des BGH auseinandersetzen und gewünschte Änderungen klar bezeichnen, lassen hier keinen Änderungswillen erkennen. Vielmehr betont der Gesetzgeber, dass inhaltliche Änderungen gegenüber der früheren Rechtslage mit der Legaldefinition von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage nicht verbunden sein sollen.[20] Die Anfechtung mit dem Ziel der Ungültigerklärung umfasst somit auch das Rechtsschutzziel einer Nichtigkeitsfeststellung.

 

Rz. 22

 

Praxistipp

Wenn das Gericht entgegen dem Antrag auf (konstitutive) Ungültigerklärung von der (deklaratorisch festzustellenden) Nichtigkeit eines Beschlusses ausgeht, kann es aufgrund des identischen Streitgegenstandes nach wie vor ohne Hinweis hierauf entsprechend tenorieren. Umgekehrt bedarf es auf Seiten des Klägers weder eines Hilfsantrags noch gar einer Klageänderung.

[20] BT-Drucks 19/18791, S. 80.

2. Kein Hinweis auf erkennbare Nichtigkeit (§ 46 Abs. 2 WEG a.F.)

 

Rz. 23

Glücklicherweise hat der Gesetzgeber die Pflicht des Gerichtes ersatzlos gestrichen, auf erkennbar vom Kläger übersehene Tatsachen hinzuweisen, aus denen sich Nichtigkeit eines Beschlusses ergibt (§ 46 Abs. 2 WEG a.F.). Diese Vorschrift war schon nach altem Recht sinnentleert. Es war schon unklar, wieso nur der Kläger hierauf hingewiesen werden sollte. Im Übrigen steht die Entscheidung des Gerichtes bei erkennbar übersehenen Nichtigkeitsgründen ohnehin fest, da ihm nur deren deklaratorische Feststellung übrig blieb. Ein Hinweis hierauf war somit eine überflüssige Förmelei, da der Kläger sein Klageziel ohnehin erreichte und eine Reaktion auf den Hinweis weder geboten noch überhaupt sinnvoll gewesen wäre.

III. Einschränkung der Aktivlegitimation

1. Keine Aktivlegitimation des Verwalters für Beschlussklagen

 

Rz. 24

Das Gesetz übernimmt aus § 46 Abs. 1 S. 1 WEG a. F. nicht den Passus zur Klage des Verwalters. Dies erfolgt bewusst, da der Gesetzgeber die Aktivlegitimation des Verwalters in Beschlussklagen für überholt hält. Sie habe nur in Fragen der Abberufung eine Rolle gespielt, die nunmehr ohnehin unbegrenzt möglich sei.[21] Damit folgt der Gesetzgeber implizit der h.M. die eine Anfechtungsbefugnis des Verwalters in Angelegenheiten, die nicht seine eigene Rechtsstellung betrafen, grundsätzlich verneinte.[22]

[21] BT-Drucks 19/18791, S. 80.
[22] S. etwa Jennißen/Suilm...

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