I. Vorbefassung der Eigentümerversammlung als Zulässigkeitsvoraussetzung
Rz. 63
Nach bisherigem Recht ist die Vorbefassung der Eigentümerversammlung mit dem Beschlussantrag Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschlussersetzungsklage. Dies ist im neuen Recht nicht ausdrücklich normiert, ergibt sich jedoch aus allgemeinen Zulässigkeitserwägungen. Denn einer Klage nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg offen stünde. Das ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn er ohne Einschaltung der hierfür zuständigen Wohnungseigentümerversammlung sogleich das Gericht mit seinem Begehren befasst. Dass der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte, ist nicht ersichtlich. Sein diesbezügliches Schweigen steht dem schon deswegen nicht entgegen, weil er gerade in den allgemeinen Ausführungen zum Verfahrensrecht mehrfach die Entbehrlichkeit spezieller Regelungen unter Hinweis auf allgemeines Zivilprozessrecht verneint. Dies ist hier beim Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ohne Vorbefassung der Eigentümerversammlung der Fall.
II. Fristen
1. Keine Frist für die Beschlussersetzungsklage
Rz. 64
Die Anfechtungsfrist des § 45 S. 1 WEG gilt nach dem Wortlaut der Norm nur für Anfechtungsklagen. Wer einen Beschluss erstreiten will, kann die Beschlussersetzungsklage also grundsätzlich ohne Einhaltung einer Frist nach Vorbefassung der Eigentümerversammlung erheben. Denn ein bloßer Negativbeschluss entfaltet nach Rechtsprechung des BGH keine Bindungswirkung. Das gilt erst recht, wenn die Eigentümerversammlung trotz Beschlussantrages keine Entscheidung in der Sache getroffen, die Sache etwa von der Tagesordnung genommen oder vertagt hat. Denn dann war sie vorbefasst und hatte Gelegenheit zur Entscheidung, ohne sie wahrzunehmen.
2. Geltung der Anfechtungsfrist bei voraufgegangener positiver Beschlussfassung
Rz. 65
Anderes gilt, wenn sich die Eigentümerversammlung mit dem Beschlussantrag beschäftigt und hierüber einen positiven Beschluss fasst, der aber hinter dem Beschlussantrag zurückbleibt. Dann liegt ein positiver Beschluss vor, der Bindungswirkung erzeugt. Der Antragsteller müsste sich dann ohne Anfechtung mit dieser hinter seinem Antrag zurückbleibenden Beschlussfassung zufrieden geben und könnte infolge der Bestandskraft auch im Beschlussersetzungsverfahren keinen weitergehenden Beschluss mehr erstreiten. In diesen Fällen gilt somit die Anfechtungs- und Begründungsfrist für die Anfechtung des ungenügenden Beschlusses. Hält der Kläger aber diese Frist mit der Anfechtungsklage ein, kann er die Klage auf Beschlussersetzung gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG noch nachträglich erheben oder erweitern.
III. Inhalt der Beschlussersetzung
1. Beschlüsse
a) Beschlüsse ohne Ermessensspielraum
Rz. 66
Die Gesetzesmaterialien stellen zunächst fest, dass das Gericht wie nach früherem Recht dann, wenn Anspruch auf einen bestimmten Beschluss besteht, genau diese Beschlussfassung ersetzen kann. Dies ist systemgerecht, da dann auch die Eigentümerversammlung keinen Ermessensspielraum gehabt hätte, so dass ihre Verwaltungsbefugnisse durch das Gericht nicht beschnitten werden.
b) Beschlüsse mit Ermessensspielraum
Rz. 67
Der Gesetzgeber hielt die Vorschrift des § 21 Abs. 8 WEG a.F., wonach das Gericht nach billigem Ermessen entscheidet, auch im Zusammenhang mit Beschlüssen für überflüssig, die auf einem Ermessen der Eigentümerversammlung beruhen. Dies begründen die Gesetzesmaterialien damit, dass dem Gericht nur dann ein Ermessen zukommt, wenn auch die Eigentümerversammlung ein Ermessensspielraum gehabt hätte. Hieraus lässt sich immerhin entnehmen, dass die Beschlussersetzung nicht nur bei einer Ermessensreduktion auf Null, sondern auch bei Beschlüssen mit Ermessensspielraum in Betracht kommt. Unklar bleibt indessen, wie vorzugehen ist, wenn das Gericht zwar einen Anspruch auf eine Beschlussfassung dem Grunde nach bejaht, aber bei seiner Ermessensausübung zu einer anderen Entscheidung käme als vom Kläger beantragt (s.u. Rdn 69 ff.).
2. Keine Ersetzung von Vereinbarungen
Rz. 68
Mit der Aufhebung des § 21 Abs. 8 WEG a.F. verwirft der Gesetzgeber die Auffassung des BGH zum alten Recht, wonach das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG a.F. auch Vereinbarungen ersetzen durfte. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG erlaubt nur noch die Ersetzung von Beschlüssen durch das Gericht. Der Anspruch auf Ersetzung von Vereinbarungen ist im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG gegen diejenigen Wohnungseigentümer durchzusetzen, die dem Abschluss einer Vereinbarung nicht zugestimmt haben. Dabei muss der Kläger versuchen, durch Hilfsanträge dem Risiko zu entgehen, dass das Gericht zwar einen Anspruch dem Grunde nach bejaht, aber nicht auf die konkret eingeklagte Vereinbarung.
IV. Vorgehen bei einem Anspruch dem Grunde nach
1. Auswirkungen der Streichung von § 21 Abs. 8 WEG a.F.
Rz. 69
Mit dieser neuen Gesetzesfassung ist indessen nicht geklärt, wie das Gericht vorzugehen hat, wenn zwar Anspruch auf eine Regelung, etwa eine Gebrauchsregelung nach § 19 Abs. 1 WEG besteht, für ihre Ausgestaltung jedoch verschiedene Möglichkeiten bestehen. Obwohl § 21 Abs. 8 WEG a.F. sprachlich und systematisch wenig überzeugend gefasst war, ließ sich dieser Vorsch...