1. Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 45

§ 44 Abs. 2 S. 3 WEG zieht die prozessuale Konsequenz daraus, dass ein Beschluss nur allen Wohnungseigentümern gegenüber gültig oder unwirksam sein kann. Wird er von mehreren Wohnungseigentümern angefochten, muss daher ein Gleichlauf geschaffen werden. Die Gesetzesmaterialien stellen dabei darauf ab, dass § 44 Abs. 2 S. 3 WEG ähnlich wie früher § 47 WEG a.F. divergierende Entscheidungen vermeiden soll.[38] Dies ist indessen zu bescheiden. Vielmehr bietet die Vorschrift (anders als § 47 WEG a.F.) auch eine Lösung für den Fall, dass eine von mehreren Beschlussklagen etwa wegen Nichteinhaltung von Klage- bzw. Begründungsfrist oder wegen ungenügenden Vortrags unbegründet ist, während eine andere berechtigt ist. In diesen Fällen nebeneiner einheitlichen Entscheidung zu richtigen Prozessergebnissen zu kommen, ist Zweck des § 44 Abs. 2 S. 3 WEG.

[38] BT-Drucks 19/18791, S. 81.

2. Mehrzahl von Prozessen

a) Beschlussklagen

 

Rz. 46

§ 44 Abs. 2 S. 3 WEG redet etwas irreführend nur von mehreren Prozessen. Aus dem systematischen Zusammenhang wird aber klar, dass nicht jegliche Prozesse zu verbinden sind. Es muss sich naturgemäß um Beschlussklagen handeln. Dies erfasst nicht nur Anfechtungs- und Nichtigkeits-, sondern auch Beschlussersetzungsklagen.[39]

[39] BT-Drucks 19/18791, S. 81.

b) Derselbe Beschluss

 

Rz. 47

Darüber hinaus müssen sich die Klagen gegen denselben Beschluss richten, was sich zumindest aus dem Sinn der Norm ergibt und auch von den Gesetzesmaterialien vorausgesetzt wird, wonach die Vorschrift nur für Verfahren "über denselben Streitgegenstand" gilt.[40] Denn bei einer Mehrheit von Klagen gegen verschiedene Beschlüsse kann es von vorneherein nicht zu divergierenden Entscheidungen kommen. In der Praxis aufwendig sind die Fälle einer bloßen Teilüberdeckung von Beschlussklagen, wenn also mehrere Wohnungseigentümer denselben Beschluss, darüber hinaus aber andere Beschlüsse anfechten. Hier sind die Prozesse der einzelnen Kläger zu trennen, soweit sie sich auf denselben Beschluss beziehen, und mit den Klagen der andere Kläger gegen denselben Beschluss nach § 44 Abs. 2 S. 3 WEG zu verbinden.

[40] BT-Drucks 19/18791, S. 81.

c) Gleichrichtung der Beschlussklagen

 

Rz. 48

Nach früherem Recht war streitig, ob die Klagen gegen einen Beschluss gleichgerichtete Interessen verfolgen mussten.[41] Dies muss trotz Anfechtung desselben Beschlusses nicht zwingend der Fall sein, wenn etwa ein Eigentümer eine Gebrauchsregelung als ungenügend ansieht und eine andere im Wege der Beschlussersetzung erstrebt, der andere schon die beschlossene als zu weitgehend bekämpft. Eine solche Gleichrichtung ist nach neuem Recht wohl nicht zu fordern. Denn § 44 Abs. 2 S. 3 WEG verzichtet auf jede Spezifikation zur Zielrichtung der Klage, die § 47 S. 1 WEG a.F. mit dem Passus "Klagen auf Erklärung oder Feststellung der Ungültigkeit" noch enthielt. Zudem handelt es sich eben um denselben Beschluss, der nicht, um in obigem Beispiel zu bleiben, in einem Prozess für ungültig erklärt, in dem anderen durch einen weitergehenden ersetzt werden kann.

[41] Vgl. AG Hamburg-Harburg ZMR 2008, 919 f.; a.A. wohl Jennißen/Suilmann, § 47 Rn 3.

3. Wirkung der Verbindung

a) Ausgangslage

 

Rz. 49

Nach Rechtsprechung des BGH verhinderte die Vorgängervorschrift des § 47 WEG a.F. nicht, dass gleichwohl divergierende Urteile ergehen konnten. So sollte bei Versäumung der Klage- oder Begründungsfrist durch einen von mehreren Klägern dessen Klage als unbegründet abgewiesen werden können.[42] Dies war nach altem Recht zwar zweifelhaft, da mit § 47 WEG a.F. eine einheitliche Entscheidung über alle Beschlussklagen beabsichtigt gewesen sein dürfte. Die bei isolierter Betrachtung fehlende Erfolgsaussicht einer von mehreren Klagen hätte in der Kostenentscheidung berücksichtigt werden können. Gleichwohl scheint der Gesetzgeber § 44 Abs. 2 S. 3 WEG mit der Streichung des § 47 S. 2 WEG a.F., wonach die Kläger der vorher selbständigen Prozesse als Streitgenossen anzusehen waren, an die Rechtsprechung des BGH angepasst zu haben. Denn nunmehr fehlt jeder Hinweis auf eine (notwendige) Streitgenossenschaft.[43] Vielmehr werden die Prozesse nur noch zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Dies entspricht der Formulierung in § 147 ZPO. Damit kommt zum Ausdruck, dass die Verbindung der Beschlussklagen wie nach § 147 ZPO nur eine äußerliche Verbindung darstellt, die ihnen die Selbstständigkeit nicht nimmt. Folglich können nun auch systemkonform divergierende Urteile ergehen.

[43] Dass § 47 WEG a.F. eine notwendige Streitgenossenschaft der Kläger bezweckte, erkannte trotz entgegenstehender Handhabung auch der BGH an (BGH v. 27.3.2009 – V ZR 196/08, ZMR 2009, 698, 700).

b) Wirkung der Verbindung nach neuem Recht

 

Rz. 50

Die Wirkung der Verbindung nach § 44 Abs. 2 S. 3 WEG geht gleichwohl über diejenige nach § 147 ZPO hinaus. Denn anders als dort "kann" das Gericht die Klagen nicht verbinden (und ggf. nach § 145 ZPO wieder trennen); die Formulierung "sind (...) zu verbinden" macht klar, dass die Verbindung und gleichzeitige Entscheidung über alle Beschlussklagen nach § 44 Abs. 2 S. 3 WEG zwingend ist. Diese speziell auf ...

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