A. Ladung der Polizei, der Bußgeldbehörde oder der Staatsanwaltschaft
Rz. 1
Zumeist wissen Beschuldigte nicht, dass sie - wie im Übrigen auch die Zeugen - einer polizeilichen Ladung nicht Folge zu leisten brauchen, soweit die Polizei nicht ausnahmsweise selbst Bußgeldbehörde ist.
Rz. 2
Der neue § 163a StPO verpflichtet allerdings zum Erscheinen auch bei der Polizei, wenn die Staatsanwaltschaft geladen hat.
Auf eine richterliche oder staatsanwaltschaftliche Vorladung muss der Betroffene ebenso erscheinen, wie auf die der Bußgeldbehörde (§ 163a Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG), wobei allerdings der Bußgeldbehörde selbst Zwangsmittel gegen einen nichterscheinenden Betroffenen nicht zur Verfügung stehen (§ 46 Abs. 5 OWiG).
Der Betroffene muss über sein Recht auf Hinzuziehung eines Verteidigers belehrt werden (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Ist dies unterblieben, stellt sich die Frage eines Verwertungsverbotes der von ihm in der Vernehmung gemachten Angaben.
Hat sich für ihn bereits ein Verteidiger bestellt, ist diesem der geplante Vernehmungstermin mitzuteilen (§ 163a Abs. 3 i.V.m. § 168c Abs. 5 S. 1, 2 StPO).
Selbstverständlich muss der Beschuldigte auch darüber belehrt werden, dass er nicht verpflichtet ist, Angaben zur Sache zu machen.
B. Datenschutz und polizeiliche Tätigkeit
Rz. 3
Häufig missachtet die Polizei bei ihrer Ermittlungstätigkeit in Verkehrssachen datenschutzrechtliche Bestimmungen, z.B. dadurch, dass sie ohne vorausgegangenen Ermittlungsversuch sofort auf die beim Wohnsitzpassamt des Betroffenen vorhandenen Passfotos zugreift. Das ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nämlich nur zulässig, wenn die Polizei zuvor auf anderem Wege vergeblich versucht hat, die Identität zu klären (BayObLG NZV 2003, 559).
Ein Verstoß hiergegen führt jedoch nach h.M. nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (OLG Stuttgart zfs 2002, 499; BayObLG NZV 2004, 38; OLG Bamberg DAR 2006, 336), wobei diese Frage in der Praxis ohnehin meistens nur theoretischer Natur ist, da der verantwortliche Fahrer dann ja ermittelt ist und identifiziert werden kann.
C. Widerstandshandlung (§ 113 StGB) und Belehrung
Rz. 4
Eine strafbare Widerstandshandlung liegt nur vor, wenn der Polizeibeamte rechtmäßig gehandelt hat. Dazu gehört auch eine ordnungsgemäße Belehrung, so dass im Falle einer falschen Belehrung die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist, so z.B. wenn der Beamte vor Anwendung einfacher körperlicher Gewalt trotz des bereits bestehenden Verdachts einer Trunkenheitsfahrt lediglich über eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 35 Abs. f StVO belehrt (OLG Celle NZV 2013, 408).
D. Erkennungsdienstliche Maßnahmen, Gegenüberstellung
Rz. 5
Erkennungsdienstliche Maßnahmen, wie die Anfertigung von Fotografien oder eine Gegenüberstellung, muss ein Beschuldigter im Bußgeld- wie im Strafverfahren gem. § 81b StPO grundsätzlich dulden (LG Zweibrücken NZV 2000, 101), zumindest dann, wenn die Verhängung eines Fahrverbotes im Raum steht.
Achtung: Nach Änderung der StPO Anspruch auf Beistand eines Verteidigers
Die im Jahre 2019 erfolgte Änderung der StPO gewährt dem Verteidiger, der von einer beabsichtigten Gegenüberstellung benachrichtigt werden muss, jetzt ein Anwesenheitsrecht, § 58 Abs. 2 StPO.
Ist dies unterlassen worden, sollte der Verteidiger gegen die Verwertung des Ergebnisses Widerspruch einlegen und ein Beweisverwertungsverbot geltend machen.
Die eigenständige Anordnung einer solchen Gegenüberstellung durch die Polizei ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn ein anthropologischer Sachverständiger in der Lage ist, in der Hauptverhandlung ein Gutachten zu erstellen. Die Unverhältnismäßigkeit führt allerdings nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot (OLG Stuttgart NJW 2014, 3590).
Rz. 6
Achtung: Veröffentlichung von Fahrerfotos zur Identifizierung
In einem OWi-Verfahren ist die im Strafrecht gem. § 131b Abs. 1 StPO mögliche Veröffentlichung von Lichtbildern zur Identitätsfeststellung unzulässig, denn Regelungen der StPO, die selbst im Strafverfahren nur bei bestimmten Straftaten oder - wie im Falle des § 131b Abs. 1 StPO - nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung anzuwenden sind, können auch nicht über § 46 OWiG auf das Bußgeldverfahren übertragen werden, denn auch § 46 OWiG lässt nur eine sinngemäße Anwendung der StPO-Vorschriften auf das Bußgeldverfahren zu (LG Bonn NZV 2006, 163).
E. Durchsuchung
Rz. 7
Bei einer nicht schwerwiegenden Verkehrsordnungswidrigkeit (hier eine außerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 33 km/h) verstößt eine Durchsuchung der Wohnung und der Geschäftsräume des Betroffenen nach Auffassung des LG Zweibrücken (zfs 1999, 174) gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie überhaupt eine Durchsuchung von Privat- oder Geschäftsräumen bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten unverhältnismäßig ist und sowohl gegen Art. 6 EMRK (EGMR NJW 2006, 1495) als auch gegen Verfassungsrecht (LG Erfurt zfs 2006, 349; BVerfG zfs 2007, 53) verstoßen kann.
Rz. 8
Achtung: Schwerwiegende Verstöße
Geht es dagegen um schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten, ist von Verfassungs wegen eine Wohnungsdurchsuchung nicht zu beanstanden (BVerfG zfs 2007, ...