I. Einstellungsgründe
Rz. 30
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden, kann der Insolvenzverwalter einen Einstellungsantrag bis zum Schluss der Zwangsversteigerung, also bis zur Verkündung des Zuschlags, stellen, § 30d ZVG. Der Insolvenzverwalter muss einen der nachfolgenden Gründe, oder auch mehrere kumulativ, glaubhaft machen, § 294 ZPO, § 30d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 ZVG:
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Der Berichtstermin im Insolvenzverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht noch bevor, |
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das Grundstück wird nach dem Ergebnis des Berichtstermins nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren für eine Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebs oder einer anderen Gesamtheit von Gegenständen benötigt, |
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durch die Versteigerung wird die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans gefährdet, |
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die Versteigerung erschwert die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse in sonstiger Weise. |
Rz. 31
Ausnahmsweise hat der Schuldner ein eigenes Antragsrecht der einstweiligen Einstellung, sofern er im Insolvenzverfahren einen Insolvenzplan vorgelegt hat und dieser nach § 231 InsO nicht zurückgewiesen wurde, § 30d Abs. 2 ZVG.
Rz. 32
Steht der Berichtstermin im Insolvenzverfahren, §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 156 InsO, noch bevor, ist die laufende Zwangsversteigerung ohne jede weitere Bedingung einstweilen einzustellen.
Rz. 33
Wird das Grundstück zur Fortführung des Unternehmens oder zur Teil- bzw. Gesamtveräußerung benötigt und ist hierzu ein Beschluss der Gläubigerversammlung im Berichtstermin erfolgt, muss das Versteigerungsgericht grundsätzlich das Verfahren einstweilen einstellen. Gleichermaßen können sich die Gründe aus einem Insolvenzplan ergeben.
Rz. 34
Zur Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht sind sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner berechtigt (die Rechte des Schuldners regelt § 30d Abs. 2 ZVG). Erfasst der Insolvenzplan auch das zu versteigernde Grundstück, muss durch die Vorlage des Insolvenzplans glaubhaft gemacht werden, dass das Grundstück in die Planregelung einbezogen wurde und die Prognoseentscheidung ergibt, dass ohne das Grundstück der Plan nicht durchführbar bzw. die Durchführung gefährdet ist.
Rz. 35
Falls die Versteigerung die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse in sonstiger Weise erschwert, ist das Verfahren ebenfalls einstweilen einzustellen. Dieser Auffangtatbestand greift insbesondere dann, wenn bei einer sofortigen Versteigerung ein erheblich geringerer Erlös zu erwarten ist als bei einer späteren Veräußerung.
II. Verfahren
Rz. 36
Vor der Entscheidung über die einstweilige Einstellung sind die betreibenden Gläubiger zu hören, § 30d Abs. 1 S. 2 ZVG. Der Antrag des Insolvenzverwalters ist abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Gläubigers ihm die einstweilige Einstellung nicht zuzumuten ist. Die Unzumutbarkeit wird jedoch nur selten Anwendung finden, allenfalls dann, wenn sich der Gläubiger selbst in einer ernsten finanziellen Krise befindet; regelmäßig dürften die Interessen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger das größere Gewicht haben.
III. Ausgleichsleistungen
Rz. 37
Sind die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung nach § 30d ZVG gegeben, hat das Versteigerungsgericht von Amts wegen die Auflage anzuordnen, dass an den betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind, § 30e Abs. 1 S. 1 ZVG. Die Zinszahlung verfolgt den Zweck, dass dem betreibenden Gläubiger des Versteigerungsverfahrens kein wirtschaftlicher Nachteil dadurch entsteht, dass das Versteigerungsverfahren einstweilen eingestellt wird. Die Anordnung der Zinszahlung ist zwingend, ein Ermessen besteht nicht.
Rz. 38
Streitig ist, in welcher Höhe der Zinsausgleich zu zahlen ist: vertraglich vereinbarte oder dingliche Zinsen.
Rz. 39
Gerade bei der Grundschuld in der Zwangsversteigerung können die vertraglichen Zinsvereinbarungen zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger jedoch keine Berücksichtigung finden, da das Versteigerungsgericht nur die aus dem Grundbuch ersichtlichen dinglichen Zinsen zu beachten hat, § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG. Das Wesen der Grundschuld ist die fehlende Akzessorietät der Forderung. Die Grundschuld gibt dem Gläubiger das Recht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstück, § 1191 Abs. 1 BGB. Die Grundschuld ist ein von der Forderung losgelöstes abstraktes Recht, auch wenn sie in der Praxis regelmäßig zu Sicherungszwecken bestellt wird. Die Grundschuld gibt dem Gläubiger weiter das Recht, das belastete Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung zu verwerten und den auf die Grundschuld entfallenden Erlös im Rang seines grundbuchrechtlich gesicherten Rechts zu entnehmen, §§ 1192, 1147, 879 BGB, § 45 GBO, § 10 ZVG. Auch die im Grundbuch...