Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 8
In § 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG ist in Abweichung von § 15 Abs. 2 S. 1 RVG bestimmt, dass die Tätigkeit des RA in der Zwangsvollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers für jede einzelne Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen grundsätzlich eine Angelegenheit darstellt, sodass ihm hierfür Gebühren insgesamt nur einmal erwachsen. Die Absicht des Gesetzgebers ist dabei, dass dem RA unter Umständen während eines Zwangsvollstreckungsverfahrens Gebühren für verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen mehrfach erwachsen können, da seine Tätigkeit je nach Lage des Falles sehr umfangreich werden kann, und dies auch normalerweise im Voraus nicht absehbar ist.
Andererseits gilt auch in der Zwangsvollstreckung keineswegs jede einzelne Handlung des RA als besondere Angelegenheit. Dies soll im Folgenden erläutert werden.
Zum besseren Verständnis müssen zuvor die Begriffe "Vollstreckungsmaßnahme" und "Vollstreckungshandlung" des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG unterschieden werden:
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Vollstreckungsmaßnahme ist von den verschiedenen Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung eine ganz bestimmte Möglichkeit, die der Gläubiger im konkreten Fall ergreift. Beispiele:Antrag auf Forderungspfändung an das Vollstreckungsgericht oder Auftrag zur Sachpfändung an den GVZ. |
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Vollstreckungshandlungen sind notwendig, um die gewählte Vollstreckungsmaßnahme in einzelnen aufeinander folgenden Schritten durchzuführen, d. h. es sind Einzeltätigkeiten (Einzelmaßnahmen), die zusammen eine Vollstreckungsmaßnahme und damit eine besondere Angelegenheit bilden. Beispiel:Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher, Antrag auf Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnung und anschließend Fortsetzung des Vollstreckungsauftrages und dann Versteigerung der gepfändeten Sachen. |
Merke:
Vollstreckungshandlungen sind Einzeltätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang stehen und zusammen eine Vollstreckungsmaßnahme bilden.
Jede zur Verwirklichung des Gläubigeranspruchs ergriffene Vollstreckungsmaßnahme bildet einschließlich aller notwendigen Handlungen gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit.
a) Grundsatz (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG)
Rz. 9
Um dieselbe Angelegenheit handelt es sich grundsätzlich bei den gesamten zu einer ganz bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden Einzelhandlungen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis entweder zur Befriedigung des Gläubigers durch diese Maßnahme oder bis zum sonstigen Abschluss der Zwangsvollstreckung. Die Einzelhandlungen gehören dann zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme, wenn sie diese bestimmte Maßnahme vorbereiten oder fortsetzen.
Tun sie dies nicht, dann liegen verschiedene Angelegenheiten vor.
aa) Dieselbe Angelegenheit der Zwangsvollstreckung
Rz. 10
In § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Hs. 1 RVG ist übrigens mit "… bis zur Befriedigung des Gläubigers …" nicht gemeint, dass die Zwangsvollstreckung eine einzige Angelegenheit bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers darstellt. Die Zwangsvollstreckungsangelegenheit endet auch dann, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise fehlschlägt, der Gläubiger also nicht das gewünschte Ergebnis erzielt. Dies wäre der oben genannte "sonstige Abschluss der Zwangsvollstreckung". Sonst wären auch die weiter unten folgenden Erläuterungen überflüssig.
Beispiele für dieselbe Angelegenheit:
1. |
Androhung der Zwangsvollstreckung, Vollstreckungsauftrag an GVZ, Anfrage beim Einwohnermeldeamt wegen Wohnungswechsels des Schuldners, Fortsetzung des Vollstreckungsauftrages, Einholung der richterlichen Durchsuchungsanordnung (§ 758a ZPO), Fortsetzung des Vollstreckungsauftrages, Versuch der gütlichen Einigung durch den GVZ, Empfangnahme des Pfändungsprotokolls, Benachrichtigung des Gläubigers, Empfangnahme des Versteigerungserlöses und seine Weiterleitung an den Gläubiger. |
2. |
Vorpfändung (§ 845 ZPO), Aufforderung an Drittschuldner zur Erklärung gemäß § 840 ZPO und Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 829, 835 ZPO) gegen denselben Schuldner aus demselben Vollstreckungstitel. |
Merke:
Dieselbe Angelegenheit liegt dann vor, solange ein innerer Zusammenhang von einzelnen Vollstreckungshandlungen insofern besteht, dass eine einmal eingeleitete Maßnahme weiterverfolgt wird, bis sie mit der Befriedigung, teilweisen Befriedigung oder eben auch keiner(!) Befriedigung des Gläubigers endet.
Sollten Sie dies nun schon verstanden haben, überspringen Sie die folgenden Sätze. Das Ganze lässt sich auch einfacher ausdrücken: Der RA erhält immer dann seine Vergütung, wenn ein bestimmter Auftrag zur Zwangsvollstreckung beendet ist – gleichgültig, ob seine Tätigkeit für den Auftraggeber erfolgreich war oder nicht. Wie Sie sich erinnern werden, ist dies bei dem Auftrag zur Prozessführung auch nicht anders. Durch § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Hs. 1 RVG wird verhindert, dass ein Mandant einen Auftrag so formulieren kann, dass der RA erst dann Gebühren verdient, wenn er irgendwann auf irgendeine Weise im Wege der Zwangsvollstreckung von dem Schuldner Geld bekommen hat – dies wäre nämlich ein standesrechtlich unzulässiges Erfo...