Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 9
Um dieselbe Angelegenheit handelt es sich grundsätzlich bei den gesamten zu einer ganz bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden Einzelhandlungen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis entweder zur Befriedigung des Gläubigers durch diese Maßnahme oder bis zum sonstigen Abschluss der Zwangsvollstreckung. Die Einzelhandlungen gehören dann zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme, wenn sie diese bestimmte Maßnahme vorbereiten oder fortsetzen.
Tun sie dies nicht, dann liegen verschiedene Angelegenheiten vor.
aa) Dieselbe Angelegenheit der Zwangsvollstreckung
Rz. 10
In § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Hs. 1 RVG ist übrigens mit "… bis zur Befriedigung des Gläubigers …" nicht gemeint, dass die Zwangsvollstreckung eine einzige Angelegenheit bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers darstellt. Die Zwangsvollstreckungsangelegenheit endet auch dann, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise fehlschlägt, der Gläubiger also nicht das gewünschte Ergebnis erzielt. Dies wäre der oben genannte "sonstige Abschluss der Zwangsvollstreckung". Sonst wären auch die weiter unten folgenden Erläuterungen überflüssig.
Beispiele für dieselbe Angelegenheit:
1. |
Androhung der Zwangsvollstreckung, Vollstreckungsauftrag an GVZ, Anfrage beim Einwohnermeldeamt wegen Wohnungswechsels des Schuldners, Fortsetzung des Vollstreckungsauftrages, Einholung der richterlichen Durchsuchungsanordnung (§ 758a ZPO), Fortsetzung des Vollstreckungsauftrages, Versuch der gütlichen Einigung durch den GVZ, Empfangnahme des Pfändungsprotokolls, Benachrichtigung des Gläubigers, Empfangnahme des Versteigerungserlöses und seine Weiterleitung an den Gläubiger. |
2. |
Vorpfändung (§ 845 ZPO), Aufforderung an Drittschuldner zur Erklärung gemäß § 840 ZPO und Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 829, 835 ZPO) gegen denselben Schuldner aus demselben Vollstreckungstitel. |
Merke:
Dieselbe Angelegenheit liegt dann vor, solange ein innerer Zusammenhang von einzelnen Vollstreckungshandlungen insofern besteht, dass eine einmal eingeleitete Maßnahme weiterverfolgt wird, bis sie mit der Befriedigung, teilweisen Befriedigung oder eben auch keiner(!) Befriedigung des Gläubigers endet.
Sollten Sie dies nun schon verstanden haben, überspringen Sie die folgenden Sätze. Das Ganze lässt sich auch einfacher ausdrücken: Der RA erhält immer dann seine Vergütung, wenn ein bestimmter Auftrag zur Zwangsvollstreckung beendet ist – gleichgültig, ob seine Tätigkeit für den Auftraggeber erfolgreich war oder nicht. Wie Sie sich erinnern werden, ist dies bei dem Auftrag zur Prozessführung auch nicht anders. Durch § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Hs. 1 RVG wird verhindert, dass ein Mandant einen Auftrag so formulieren kann, dass der RA erst dann Gebühren verdient, wenn er irgendwann auf irgendeine Weise im Wege der Zwangsvollstreckung von dem Schuldner Geld bekommen hat – dies wäre nämlich ein standesrechtlich unzulässiges Erfolgshonorar.
bb) Verschiedene Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung
Rz. 11
Jede zur Verwirklichung des Gläubigeranspruchs ergriffene Vollstreckungsmaßnahme bildet einschließlich aller notwendigen Handlungen gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit. Mehrere verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen sind mehrere besondere Angelegenheiten.
Beispiele für verschiedene Angelegenheiten:
1. |
Vollstreckungsauftrag an GVZ, Empfangnahme der Unpfändbarkeitsbescheinigung und Mitteilung an Auftraggeber; nach Verbesserung der Vermögenslage des Schuldners später erneuter Vollstreckungsauftrag an GVZ (= 2 Angelegenheiten). |
2. |
Vollstreckungsauftrag an GVZ; da Gläubiger nur teilweise befriedigt wurde, Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (= 2 Angelegenheiten). |
Merke:
Führt ein Vollstreckungsversuch zu keiner oder nur zur teilweisen Befriedigung des Gläubigers, dann ist ein späterer erneuter Versuch keine Fortsetzung des früheren, sodass es sich bei dem erneuten Versuch um eine neue Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts handelt.
cc) Begriff der Angelegenheit in der Zwangsvollstreckung
Rz. 12
In § 18 RVG i. V. m. § 19 Abs. 1 und 2 RVG wird der Begriff der Angelegenheit in der Zwangsvollstreckung bestimmt. Nachdem in
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§ 18 Abs. 1 Ziffer 1 RVG die oben beschriebene grundsätzliche Regelung getroffen wurde, nennt |
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§ 19 Absätze 1 und 2 RVG in einer beispielhaften Aufzählung Tätigkeiten, die nicht als besondere Angelegenheiten gelten, wogegen |
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§ 18 Abs. 1 Ziffer 2 ff. RVG eine Aufzählung von verschiedenen Fällen, die besondere Angelegenheiten sind, beinhaltet. |
Hinweis:
Der BGH hat entschieden, dass in § 18 Abs. 1 Ziff. 2–21 RVG konkrete Beispiele besonderer Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung aufgeführt sind (BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – I ZB 120/17).
Dies schließt nicht aus, dass nach der allgemeinen Definition des Grundsatzes in § 18 Abs. 1 RVG es weitere besondere Vollstreckungsmaßnahmen geben kann, die in § 18 RVG nicht speziell aufgezählt sind. So nennt der BGH als weitere besondere Angelegenheit die Einholung von Drittauskünften (siehe Rdn 68 ff.)
Tipp:
Eventuell hilft bei den §§ 18 und 19 RVG das Markieren der wichtigsten Ziffern im Gesetzestext, besser den Überblick zu gewinnen.