Dipl.-Kfm. Michael Scherer
I. Allgemeines
Rz. 2
→ Dazu Aufgaben Gruppe 20
Für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung erhält der RA besondere Gebühren gemäß Nrn. 3309 und 3310 VV RVG. Der Zivilprozess bzw. das Mahnverfahren und die sich daran anschließende Zwangsvollstreckung sind prozessrechtlich voneinander unabhängige Verfahren. Auch gebührenrechtlich ist die Zwangsvollstreckung eine selbstständige Angelegenheit, die wiederum aus mehreren besonderen Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne bestehen kann.
Die Nrn. 3309 und 3310 VV RVG regeln die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr des RA im Zwangsvollstreckungsverfahren (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG), für die Vollziehung eines Arrestbefehls oder einer einstweiligen Verfügung (§ 18 Abs. 1 Ziff. 2 RVG) oder für die Vertretung im Verteilungsverfahren (§ 18 Abs. 1 Ziff. 10 RVG), hier insbesondere für die Vertretung im Verteilungsverfahren gemäß den §§ 872 ff. ZPO, wenn der hinterlegte Geldbetrag zur Befriedigung der beteiligten Gläubiger nicht ausreicht. Die Gebühr für die Vertretung im Verteilungsverfahren erwächst dem RA neben einer für die Vertretung in der Zwangsvollstreckung bereits verdienten Gebühr.
Merke:
Die Gebühren in Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung werden hauptsächlich durch die Nrn. 3309 und 3310 VV RVG bestimmt (siehe Rdn 35).
Der Gegenstandswert wird in § 25 RVG geregelt (siehe Rdn 18 ff. und Rdn 35 ff.).
Der Begriff der einzelnen Zwangsvollstreckungsangelegenheit wird in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 bis 21 RVG i. V. m. § 19 Abs. 1 Ziff. 11, 12, 13, 16 und Abs. 2 RVG beschrieben (siehe hierzu Rdn 6 ff.).
Rz. 3
In folgenden Fällen gelten die Nrn. 3309 und 3310 VV RVG nicht: Die Vergütung des RA für Tätigkeiten im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren ist in Teil 3, Abschnitt 3, Unterabschnitt 4 VV RVG besonders geregelt (Nrn. 3311, 3312 VV RVG). Für Tätigkeiten im Insolvenzverfahren erhält der RA Gebühren gemäß Teil 3, Abschnitt 3, Unterabschnitt 5 VV RVG (Nrn. 3313 ff. VV RVG).
Für die Vertretung im Verwaltungszwangsverfahren, bei Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung und bei der Vollstreckung nach dem FamFG erwachsen dem RA die Gebühren gemäß Vorbemerkung 3.3.3 VV RVG ebenfalls nach den Nrn. 3309 und 3310 VV RVG. Laut § 120 FamFG erfolgt die Vollstreckung in Ehesachen und Familienstreitsachen nach den Vorschriften des 8. Buches der ZPO.
Ferner werden die Vollstreckungsvorschriften der §§ 88 ff. FamFG für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch den Verweis in § 95 FamFG auf die Vorschriften des 8. Buches der ZPO über die Zwangsvollstreckung ergänzt.
Nach der Vorbemerkung 3.3.3 VV RVG handelt es sich ebenfalls um eine Zwangsvollstreckungstätigkeit nach den Nrn. 3309 und 3310 VV RVG, wenn z. B. die Eintragung einer Zwangshypothek (§ 867 ZPO) oder die Eintragung der Pfändung einer Hypothek (§ 830 ZPO) beantragt wird.
Rz. 4
Bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner kann auch während der Zwangsvollstreckung unter den Voraussetzungen der Nr. 1000 VV RVG (siehe § 2 Rdn 166 ff.) neben der Gebühr der Nr. 3309 VV RVG eine Einigungsgebühr in Höhe von 0,7 (Nr. 1000 Ziff. 2 VV RVG) entstehen, wenn ein Vollstreckungstitel vorliegt und eine Vollstreckungsmaßnahme durch das Vollstreckungsgericht oder durch den Gerichtsvollzieher (GVZ) betrieben werden soll. Der Gegenstandswert für die Einigungsgebühr wird nach § 31b RVG mit 50 Prozent des titulierten Anspruchs berechnet. Siehe hierzu Rdn 41 ff. Da der Aufwand bei solchen Zahlungsvereinbarungen für den RA relativ gering ist, hat der Gesetzgeber hierfür einen verminderten Gebührensatz der Einigungsgebühr und eine Reduzierung des Gegenstandswertes vorgeschrieben.
Rz. 5
Auf die einzelnen Gebühren wird in Rdn 35 ff. eingegangen. Erheblich wichtiger ist jedoch die Feststellung, wie viele verschiedene Angelegenheiten in einer Vollstreckungssache zu erledigen sind, woraus sich die Feststellung ergibt, wie oft die einzelnen Gebühren berechnet werden können. Es ist tatsächlich so, dass bis zur Befriedigung des Gläubigers aus einem einzigen Titel für seinen RA mehrfach Vollstreckungsgebühren anfallen können.
II. Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung
Rz. 6
Der Grundsatz ist in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 RVG bestimmt:
Merke:
In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG.
Da diese Unterscheidung in "Maßnahmen" und "Angelegenheiten" nicht selten Schwierigkeiten bereitet, soll sie anhand einiger Beispiele weiter unten (siehe Rdn 8 ff.) erläutert werden.
1. Abgrenzung zum Prozess- bzw. zum Mahnverfahren
Rz. 7
Zunächst ist eine Abgrenzung zwischen dem Prozess- bzw. Mahnverfahren (Erkenntnisverfahren) einerseits und dem Zwangsvollstreckungsverfahren andererseits vorzunehmen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG ist unter bestimmten Voraussetzungen für gewisse Tätigkeiten des RA, die er zur Vorbereitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ausübt, nicht anwendbar. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits im Erkenntnisverfahre...