Prof. Dr. Martin Henssler, Christiane Pickenhahn
I. Begrifflichkeiten
Rz. 2
Der im allgemeinen Sprachgebrauch dominierende Begriff des "Home Office" wird weitgehend umfänglich sowohl für die Tele(heim)arbeit als auch die Mobile Arbeit verwendet. Tatsächlich ist die Differenzierung zwischen beiden Formen für die Ausgestaltung der Arbeit und die den Arbeitgeber treffenden Pflichten entscheidend.
Telearbeit wird von einem fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im privaten Bereich des Beschäftigten erbracht (meist von zu Hause, weswegen auch von Teleheimarbeit gesprochen wird), der mit notwendiger IKT vom Arbeitgeber ausgestattet wird (§ 2 Abs. 7 ArbStättV). Wird die Arbeit nur gelegentlich vom Telearbeitsplatz erbracht, spricht man auch von alternierender Telearbeit.
Im Rahmen der gesetzlich bisher nicht explizit geregelten Mobilen Arbeit (mobile Telearbeit oder "Mobile Office") wird die Arbeit ohne fest eingerichteten Arbeitsplatz, ortsunabhängig mittels IKT erbracht. Der Arbeitnehmer kann also in der Betriebsstätte, von Zuhause oder auch von jedem beliebigen anderen Ort aus seine Arbeit verrichten. Er muss nur gewährleisten, die ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Die Mobile Arbeit hat in den letzten Jahren weitgehend die klassische Telearbeit abgelöst, sodass mittlerweile überwiegend Betriebsvereinbarungen zur Mobilen Arbeit geschlossen werden (Mustervereinbarung siehe Muster 81.1).
Von der Telearbeit und Mobilen Arbeit zu unterscheiden ist die Heimarbeit i.S.d. Heimarbeitsgesetz (HAG). Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer, sondern selbstständig tätig und wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit in der Regel als arbeitnehmerähnliche Personen zu qualifizieren (siehe auch § 82 Rdn 12 sowie Mustervertrag § 82 Rdn 13).
II. Rechtliche Problemfelder
1. Rechtsanspruch
Rz. 3
Ein gesetzlicher Anspruch auf "Home Office" (Telearbeit/Mobile Arbeit), wie beispielsweise in den Niederlanden (seit 2016 hat hier der Arbeitnehmer zumindest einen Verhandlungsanspruch), besteht in Deutschland nicht. Pläne, einen rechtlichen Rahmen für die Mobile Arbeit nebst Rechtsanspruch zu kodifizieren, konnten sich in der 19. Legislaturperiode nicht durchsetzen (s. Koalitionsvertrag CDU, CSU und SPD 2018–2021, S. 41 f., Referentenentwurf eines Gesetzes zur Mobilen Arbeit v. 26.11.2020 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales).
Stattdessen kam es durch die notwendigen pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen zu einer Pflicht der Arbeit von Zuhause. Schon zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 empfahl der Arbeitsschutzstandard des BMAS, Büroarbeit "nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen". Im Januar 2021 wurde dann zunächst eine Pflicht des Arbeitgebers eingeführt, den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV). Schließlich wurde zum 23.4.2021 befristet bis zum 30.6.2021 eine beidseitige Pflicht in § 28b Abs. 7 IfSG eingeführt, nach der nicht nur der Arbeitgeber Home Office in den genannten Fällen anbieten muss, sondern auch die Beschäftigten dieses Angebot annehmen müssen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die Regelung war stark umstritten, weil sie anders als die weiteren bundeseinheitlichen Schutzmaßnahmen des § 28b Abs. 1 IfSG nicht an eine bestimmte Sieben-Tages-Inzidenz gekoppelt wurde. Auch gab es keine Ausnahmen für negativ Getestete, Geimpfte und Genesene.
Die Arbeit außerhalb der Betriebsstätte kann, sofern keine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt, weiterhin grds. nur in Absprache mit dem Arbeitgeber erfolgen. Auch die in vielen Unternehmen bereits geschlossenen Betriebsvereinbarungen geben regelmäßig keinen individuellen Rechtsanspruch, sondern regeln die Rahmenbedingungen für individuelle Vereinbarungen. Ein Rechtsanspruch kann sich in Ausnahmefällen in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, soweit allen anderen vergleichbaren Arbeitnehmern die Arbeit von zu Hause gewährt wird (vgl. LAG München v. 21.5.2015 3 Sa 68/15; LAG Köln v. 22.6.1994 – 2 Sa 1087/93). Die Vorteile der freien Wahl des Arbeitsortes für den Arbeitnehmer liegen auf der Hand. Der Arbeitsweg entfällt und es wird gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Arbeitszeit (dazu § 80 Rdn 2 ff.) das Arbeitszeitvolumen frei aufzuteilen. Dabei muss der Arbeitnehmer ein hohes Maß an Selbstmanagement, der Arbeitgeber ein hohes Maß an Vertrauen aufbringen. Nicht nur familiäre Verpflichtungen (74 %), sondern auch der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit der Arbeit mit Freizeitinteressen (Work-Life-Balance, 64 %) wurden von Arbeitnehmerseite bereits 2015 als Gründe für den Wunsch nach "Home Office" angegeben (BMAS, Mobiles und entgrenztes Arbeiten, 2015, S. 17). Eine Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass 80 % der Beschäftigten im Home Office weniger Stress empfinden, da der Arbeitsweg entfällt. 76 % der Beschäftigten sehen den damit verbundenen Zeitgewinn positiv und 59 % bejahen eine generell bessere...