A. Keine Pflicht zur Rücksendung
Rz. 1
Der Anhörungsbogen ist eine Form der Anhörung. Deshalb ist der Betroffene nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen, er braucht nicht einmal den Anhörungsbogen zurückzusenden (BVerfG NJW 1981, 1431).
B. Angabe der Personalien
Rz. 2
Grundsätzlich besteht die bußgeldbewährte Pflicht (§ 111 OWiG) zur Angabe der Personalien. Dies gilt allerdings nur, wenn die Personalien nicht oder nur zum Teil bekannt sind. Die Personalien sollen die Feststellung der Identität ermöglichen. Es genügen deshalb die Angabe von Vorname, Familienname und ggf. Geburtsname, Ort und Zeit der Geburt sowie die Angabe der Anschrift (BayObLG VRS 58, 214). Die Angabe des Berufes ist hierzu nicht erforderlich (BayObLG DAR 1980, 28).
Rz. 3
Wie sich meist bereits schon aus dem Anhörungsbogen ergibt, sind die notwendigen Personaldaten der ermittelnden Behörde bekannt, so dass eine Pflicht zu dessen Rücksendung nicht besteht. Mit dem Anhörungsbogen soll ohnehin in erster Linie rechtliches Gehör gewährt und nicht die Identität festgestellt werden (OLG Hamm NJW 1988, 274; OLG Dresden NZV 2005, 653).
Rz. 4
Die Pflicht zur Angabe der Personalien darf nicht einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichkommen (BGHZ 34, 39), weshalb eine im Anhörungsbogen vorgesehene Verknüpfung von Angaben zur Person mit Angaben zum Fahrzeugführer unzulässig ist (OLG Stuttgart DAR 1990, 273).
Rz. 5
Wegen der Verpflichtung zur Angabe der Personalien, kann aus der Ausfüllung, Unterschrift und Rücksendung des Anhörungsbogens nichts geschlossen werden (OLG Karlsruhe DAR 1978, 77). Ebenso wenig können Schlüsse daraus gezogen werden, dass der Beschuldigte untätig geblieben ist (OLG Koblenz VRS 58, 377).
C. Unzutreffende Angaben im Anhörungsbogen
Rz. 6
Es gelten die gleichen Grundsätze wie beim Bußgeldbescheid, d.h., ein offensichtlicher Irrtum, wie z.B. erkennbar falsche Angaben zum Ort, zur Zeit, zur Person oder zum Kraftfahrzeug, sind so lange ohne Bedeutung, wie keine Zweifel an der Tatidentität bestehen können (z.B. BayObLG NZV 1998, 513), anders allerdings dann, wenn der Tatort verwechslungsfähig falsch angegeben ist (AG Kamenz zfs 2004, 90). Zu weiteren Einzelheiten siehe auch § 29 Rdn 4 ff.
D. Achtung: Bewusst falsche Angaben
Rz. 7
Ein Betroffener, der den Anhörungsbogen zwar mit richtiger Anschrift, aber (teilweise) falschen Personaldaten in der Absicht zurücksendet, den ihm mit den unzutreffenden Personaldaten zugestellten Bußgeldbescheid zu akzeptieren, um so die Flensburger Punkte auf ein anderes Konto umzulenken, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG.
Wer dagegen bewusst wahrheitswidrig einen anderen als verantwortlichen Fahrer angibt, macht sich einer falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 2 StGB strafbar.
Rz. 8
Ob das der Fall ist, kann dann zweifelhaft sein, wenn der Betroffene mit seiner Verdächtigung (auch) bezweckte, sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen (OLG Koblenz NZV 2011, 218) oder die falsche Verdächtigung gar nicht geeignet war, ein Verfahren auf den Weg zu bringen, etwa weil die Behörde bereits einen Verdacht gegen den Betroffenen hatte (OLG Celle NZV 2009, 517), der Täter davon ausgehen konnte, dass die Behörde gegen einen von ihm als Fahrer angegebenen Ausländer erst gar kein Verfahren einleiten würde (OLG Düsseldorf NZV 1996, 244) oder die Sache in dem Zeitpunkt, in dem die falsche Beschuldigung erfolgte, bereits verjährt war, denn bei sachgemäßer Behandlung hätte die Falschbeschuldigung dann kein Verfahren gegen die benannte Person mehr auslösen dürfen (OLG Celle DAR 2007, 713).
Rz. 9
Des Weiteren erfüllt die unzutreffende Selbstbezichtigung den Tatbestand ebenso wenig (OLG Stuttgart NJW 2017, 1971), wie die Benennung einer tatsächlich nicht existierenden Person (OLG Stuttgart DAR 2018, 392). Der 2. Senat des OLG Stuttgart (DAR 2015, 708) hat dagegen in einem solchen Fall den tatsächlichen Fahrer und den sich selbst zu Unrecht beschuldigenden Dritten in mittelbarer Täterschaft verurteilt. Dem folgt zwar die h.M. (u.a. anderer Senat des OLG Stuttgart NJW 2017, 1971) sowie die Literatur zu Recht nicht. Dennoch macht sich der Anwalt, der bei einem solchen Vorgehen mitwirkt, eines Verstoßes gegen seine anwaltlichen Standespflichten schuldig (Anwaltsgerichtshof Celle, Urt. v. 17.8.18 – 2 AnwG 2/2018). Besondere Vorsicht ist geboten, wenn mit dem Anhörbogen ein zur Identifizierung geeignetes Foto mitversandt wird, denn dann kann der für die Strafbarkeit der falschen Angaben erforderliche Vorsatz regelmäßig nachgewiesen werden.
E. Verjährungsunterbrechung
Rz. 10
Der Anhörungsbogen hat grundsätzlich (zu den Ausnahmen siehe § 28 Rdn 37–48) verjährungsunterbrechende Wirkung. Dabei unterbricht bereits die Versendung – genauer die Anordnung der Versendung (BGHSt 25, 6) – des Anhörungsbogens die Verjährung; auf den Zugang kommt es nicht an (BayObLG DAR 1999, 558; OLG Hamm DAR 2007, 96). Deshalb hat auch ein Anhörungsbogen, der wegen einer unzutreffenden Anschrift nicht zugestellt werden kann, verjährungsunterbrechende Wirkung (OLG Frankfurt zfs 1991, 322; BayObLG NZV 2003, 439; OLG Hamm DAR 2007, 96).
Voraussetzung ist a...