a) Vorlage von Unterlagen und Belegen
Rz. 92
Der Anspruchsverpflichtete hat zunächst alle Unterlagen vorzulegen, die zur Berechnung des Wertes des Pflichtteilsanspruchs erforderlichen sind. Wurden im Nachlass zugehörige Gegenstände zeitnah nach dem Erbfall veräußert, so müssen die entsprechenden Kaufvertragsurkunden hier vorgelegt werden. Allerdings reicht die Vorlage eines Kaufvertrages und der Schätzung eines Maklers allein nicht aus, um eine Immobilie sachgerecht zu bewerten; daneben besteht der Anspruch auf Vorlage eines Verkehrswertgutachtens weiterhin. Bezüglich im Nachlass befindlicher Immobilien hat der Erbe zumindest einen Grundbuchauszug, Grundrisszeichnungen, Angaben über neuere Instandhaltung- und Instandsetzungsarbeiten, Kontaminierung und über wertbestimmende Innen und Außenausstattung sowie ggf. Mietverträge zu Ertragswertermittlung herauszugeben. Dies gilt selbst dann, wenn der Verkauf zeitnah zum Erbfall erfolgte. Ist ein Unternehmen oder eine Beteiligung daran zu bewerten, sind alle Geschäftsunterlagen der letzten fünf Jahre vorzulegen, damit eine notwendige betriebswirtschaftliche Unternehmensbewertung durch den Anspruchsberechtigten selbst vorgenommen werden kann. Dem Anspruch auf Vorlage von Geschäftsunterlagen wird dabei durch die Vorlage eines vom Erben eingeholten Wertermittlungsgutachtens nicht der Boden entzogen. Wertermittlungsrelevante Unterlagen können auch Konto-, sonstige Bank- und Depotauszüge zum Todestag sein. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage der für die Wertberechnung erheblichen Unterlagen besteht auch dann, wenn ihm der Erbe bereits ein Wertermittlungsgutachten vorgelegt hat, da es auch um dessen Verifizierung geht.
b) Wertgutachten
Rz. 93
Reichen die dargelegten Tatsachen und vorgelegten Unterlagen nicht aus, damit der Pflichtteilsberechtigte den Wert des Nachlasses selbst ermitteln kann, besteht ein Anspruch auf Ausarbeitung und Vorlage eines Bewertungsgutachtens durch einen unparteiischen Sachverständigen. Bei der Bewertung von betrieblichem Vermögen steht dem Pflichtteilsberechtigten neben dem Anspruch auf Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und zugrundeliegender Geschäftsbücher für fünf zurückliegende Jahre zusätzlich auch ein Anspruch auf Wertermittlung durch Sachverständigengutachten zu. Der Erbe hat die Erstellung des Gutachtens nicht nur zu dulden, sondern muss diese auf Kosten des Nachlasses in eigener Verantwortung in Auftrag geben. Der Pflichtteilsberechtigte darf auf Kosten des Nachlasses ein Gutachten nicht selbst in Auftrag geben, selbst wenn der Erbe mit dieser Verpflichtung in Verzug ist.
Rz. 94
Der Sachverständige selbst muss nicht öffentlich bestellt und vereidigt sein. Er muss jedoch unabhängig und unparteiisch sein Gutachten erstellen. Als befangen gilt ein Sachverständiger, wenn ein Grund gegeben ist, der bei vernünftiger Würdigung ein Misstrauen der Partei von ihrem Standpunkt aus rechtfertigen kann. Die Anforderungen sollten insgesamt aber nicht überspannt werden, da das Gutachten letztlich nicht dazu dient, Meinungsunterschiede zwischen den Parteien zu entscheiden. Das Gutachten dient dem Zweck, den Pflichtteilsberechtigten in die Lage zu versetzen, sich ein umfassendes Bild über den Nachlass und seinen Pflichtteilsanspruch zu machen, damit dieser gegebenenfalls in einem Klageantrag genau zu beziffern ist. Ziel der Gutachtenerstellung ist es insoweit, das Prozessrisiko des Pflichtteilsberechtigten so gering wie möglich zu halten. Kommen mehrere Bewertungsmethoden in Betracht, so hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten damit auseinanderzusetzen, die unterschiedlichen Konsequenzen aufzuzeigen und unter Anwendung der seiner Meinung nach zutreffend erachteten Methode einen bestimmten Verkehrswert zu ermitteln.
Rz. 95
Zur Bewertung von Kunstgegenständen kann die Einschätzung eines renommierten Kunstauktionshauses genügen. Wenngleich sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die zeitnah nach dem Erbfall veräußert werden, am tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren, schließt dies einen Anspruch auf Vorlage eines Gutachtens nicht aus. Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung § 2314 steht nicht der Umstand entgegen, dass der Nachlassgegenstand vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde.
Rz. 96
Bezüglich des Erbfalles ist bei der Wertermittlung gem. § 2311 BGB auf den Stichtag abzustellen. Bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist im Rahmen des Nie...