Rz. 37

Nach § 20 BNotO sind Notare für die amtliche Aufnahme eines Bestandsverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB zuständig; es bestehen daneben aber landesrechtliche Zuständigkeiten, wonach das Amtsgericht und dort der Richter entsprechend zuständig sind.[76] Der Pflichtteilsberechtigte hat zwar einen Anspruch auf Anwesenheit entsprechend § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, ist seinerseits selbst jedoch nicht antragsbefugt.[77] Zum privaten Verzeichnis besteht inhaltlich kein Unterschied; für den Fall jedoch, dass der Notar selbst den Nachlassbestand ermittelt, kann dem amtlichen Verzeichnis grundsätzlich ein höherer Beweiswert zukommen, da eine größere Richtigkeitsgewähr für die Erstellung besteht.[78]

Die Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses kann auch dann noch verlangt werden, wenn zunächst nur ein privates Verzeichnis gefordert wurde.[79] Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Pflichtteilsanspruch zwischenzeitlich verjährt ist.[80] Der Erbe kann die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses entsprechend § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern, wenn ein Aktivnachlass nicht vorhanden ist, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können; er kann sich jedoch dann nicht auf die Dürftigkeitseinrede berufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereit ist, die Kosten des Notars zu tragen und im Voraus direkt an diesen zu entrichten.[81]

 

Rz. 38

Grundsätzlich liegt es im Ermessen der aufnehmenden Amtsperson, wie sie den Nachlassbestand feststellt.[82] Sie ist zur Vornahme von Ermittlungen berechtigt und auch verpflichtet. Sie ist für den Inhalt des Verzeichnisses verantwortlich.[83] Der auskunftsverpflichtete Erbe kann die Inventarstücke selbst auflisten und dem Notar die Liste für das Verzeichnis übergeben.[84] Umstritten ist insoweit die Frage, ob sich die beurkundende Amtsperson in den Fällen, in denen der Erbe das Verzeichnis erstellt hat, mit dem Hinweis auf die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht beschränken darf.[85] Hier steht entgegen, dass die beurkundende Person alle zur Erstellung des Verzeichnisses notwendigen Handlungen in eigener Person vornehmen muss.[86] Diese Rechtsprechung hat sich verfestigt und ist durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt: Es besteht eine vollumfängliche Ermittlungspflicht des Notars.[87] Dieser wird nur Genüge getan, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst und eigenständig – wenn auch zunächst ausgehend von den Angaben des Auskunftsverpflichteten – ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen, zum Ausdruck bringt.[88] Mögliche Ermittlungstätigkeiten sind:[89]

eigene Ermittlung von Grundbesitz,
Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten,
Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität,
Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum,
Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen), die in der Nähe des letzten Wohnortes eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten Zehn-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage,
Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).
 

Rz. 39

Im Rahmen der Plausibilitätskontrolle ist der Notar dazu angehalten, den Erben bei klärungsbedürftigen Vorgängen diesbezüglich zu befragen und muss diesen ggf. auch dazu auffordern, dessen Auskunftsanspruch gegen Dritte geltend zu machen.[90]

Beschränkt sich der Notar bei der Aufnahme des Nachlassbestandsverzeichnisses auf die Auflistung dessen, was ihm der Erbe zur Auskunftserteilung vorlegt, tritt eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht ein.[91] Die Entscheidung, was in das Bestandsverzeichnis aufzunehmen ist oder nicht, obliegt der Amtsperson allein, da diese durch die Unterzeichnung des Bestandsverzeichnisses zum Ausdruck bringt, dass sie für den Inhalt desselben verantwortlich ist. Wird im Urkundentext die Ich-Form für Erklärungen des Erben herangezogen und die Gesetzesvorschrift im Eingang der Urkunde fehlerhaft mit § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB statt richtig mit § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB angegeben, bekräftigt dies eine augenscheinlich fehlerhafte notarielle Aufnahme des Bestandsverzeichnisses.[92] Auch wer ein privatschriftlich erstelltes Nachlassverzeichnis nebst einer eidesstattlichen Versicherung vorlegt, unter welcher die Unterschrift des Versichernden notariell beglaubigt wurde, genügt gleichfalls den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht.[93]

 

Rz. 40

Bei der Aufnahme durch die Amtsperson muss der Verpflichtete persönlich anwesend sein, um für Nachfragen, Erläuterungen und Belehrungen zur Verfügung zu stehen.[94] Der Erbe muss belehrt werden, was im Einzelnen aufzuführen ist und ist auch auf seine Wahrheitspflicht hinzuweisen.[95] Es obliegt dem Erben, auf ei...

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