1. Einleitung
Rz. 87
Der Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB ist ein selbstständiger Anspruch, der neben dem Auskunftsanspruch des § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB steht und von diesem klar zu trennen ist. Aus diesem Grunde muss er vom Pflichtteilsberechtigten auch gesondert geltend gemacht werden und ist nicht automatisch im allgemeinen Auskunftsbegehren enthalten. Während der Auskunftsanspruch nur auf die Weitergabe von Wissen zielt, ist der Wertermittlungsanspruch unabhängig von Wissen und Vorstellung des Verpflichteten über den Wert. Der Wertermittlungsanspruch ist demgegenüber auf eine vorbereitende Mitwirkung anderer Art gerichtet; erforderlich ist insoweit die Veranlassung bzw. Duldung einer Wertermittlung durch einen Sachverständigen. Der Wertermittlungsanspruch bezieht sich auf den gesamten mobilen und immobilen Nachlass, so dass die Wertermittlung die Kenntnis über alle zum Nachlass gehörenden Gegenstände voraussetzt.
Rz. 88
Der Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB ist auf die Vorlage von Unterlagen und eines Bewertungsgutachtens gerichtet. Der Verpflichtete muss dem Berechtigten diejenigen Informationen zukommen lassen, die diesen in die Lage versetzen, ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können. Der Pflichtteilsberechtigte kann wählen, ob er die für die Bewertung erforderlichen Unterlagen einsehen und selbst eine Bewertung veranlassen will oder ob er den Erben auf Kosten des Nachlasses eine Bewertung vornehmen lässt. Nach anderer Ansicht besteht neben dem Anspruch auf Vorlage der relevanten Unterlagen ein Anspruch auf Ausarbeitung und Vorlage eines Bewertungsgutachtens nur dann, wenn die dargelegten Informationen kein hinreichendes Bild über den Wert des Nachlasses ermöglichen.
2. Anspruchsvoraussetzungen
Rz. 89
Der Wertermittlungsanspruch setzt voraus, dass alle Gegenstände deren Wert zu ermitteln ist, unstreitig zum Nachlass gehören bzw. nach den Vorschriften der §§ 2325, 2316 BGB eine pflichtteilsrechtliche Relevanz haben. Der pflichtteilsberechtigte Nichterbe hat im Streitfall darzulegen, dass der zu bewertende Gegenstand dem Nachlass auch zugehört. Er muss dies notfalls beweisen. Sofern es sich um die Wertermittlung wegen eines dem Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. §§ 2325 ff. BGB unterliegenden Gegenstands handelt, muss der pflichtteilsberechtigte Nichterbe zudem beweisen, dass eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt. Nach der sogenannten "Zweistufentheorie" des BGH muss der Pflichtteilsberechtigte zunächst beweisen, dass eine ergänzungspflichtige Schenkung vorliegt. Der Wertermittlungsanspruch kann nicht auf bloßen Verdacht hin zugebilligt werden, da dessen Kosten den Nachlass beschweren. Problematisch sind insoweit gemischte Schenkungen, da hier ohne genaue Kenntnis des Wertes der Zuwendung das Vorliegen eines lediglich teilentgeltlichen Erwerbs nicht feststellbar ist. Insoweit muss es als ausreichend betrachtet werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte durch eine "grobe Überschlagsrechnung" nachweist, dass eine gemischte Schenkung vorliegt. Zumindest ist im Fall einer gemischten Schenkung dem Pflichtteilsberechtigten ein Wertermittlungsanspruch nach § 242 BGB zuzusprechen. Dabei wird der Pflichtteilsberechtigte die Kosten des Gutachtens zunächst selbst zu tragen haben. Stellt sich nachträglich heraus, dass eine gemischte Schenkung vorliegt, kann der Pflichtteilsberechtigte diese Kosten dem Nachlass in Rechnung stellen.
Rz. 90
Der pflichtteilsberechtigte Erbe bzw. Miterbe hat keinen Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Ihm steht jedoch unter den Voraussetzungen des § 242 BGB zunächst ein Anspruch auf Vorlage der zur Berechnung seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs erforderlichen Unterlagen zu. Reichen diese nicht aus, um eine Wertermittlung durchzuführen, hat er ergänzend einen Anspruch auf Wertermittlung. Die Kosten der Wertermittlung hat dabei der pflichtteilsberechtigte Erbe zu tragen.
Rz. 91
Eine Wertermittlung des fiktiven Nachlasses bzw. eines seiner Bestandteile kann dann nicht verlangt werden, wenn nicht die Voraussetzung des §§ 2325 ff. BGB erfüllt sind.
3. Inhalt des Wertermittlungsanspruchs
a) Vorlage von Unterlagen und Belegen
Rz. 92
Der Anspruchsverpflichtete hat zunächst alle Unterlagen vorzulegen, die zur Berechnung des Wertes des Pflichtteilsanspruchs e...