a) Öffentlich-rechtliche Haftung
Rz. 33
Die Sanktionen im staatlichen Arbeitsschutzrecht erfolgen auf der Grundlage des öffentlichen Rechts. Verfahrensrecht ist die Verwaltungsgerichtsordnung. Erkennt eine Behörde Pflichtverstöße des Arbeitgebers, der verantwortlichen Personen oder der Beschäftigten, hat sie die Möglichkeit, gegen die betreffende Person eine verbindliche Anordnung zu erlassen und diese – falls erforderlich – für sofort vollziehbar zu erklären. Erklärt sich der Betroffene nicht einverstanden mit der Entscheidung der Behörde, ist der statthafte Rechtsbehelf der Widerspruch.
Rz. 34
Bei erfolgter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts, kann der Betroffene im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragen. Gegen den Widerspruchsbescheid ist die Klage zu den Verwaltungsgerichten zulässig.
Rz. 35
Ist die Entscheidung der Aufsichtsbehörde bestandskräftig geworden, kann die Anordnung nach § 22 ArbSchG im Wege des Verwaltungszwangs, der nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Bundesländer durchgeführt wird, vollstreckt werden. Zwangsmittel sind das Zwangsgeld, die Ersatzvornahme und der unmittelbare Zwang.
b) Zivilrechtliche Haftung und Haftungsbeschränkung
Rz. 36
Im Übrigen spielen zivilrechtliche Haftungsrisiken bei Verletzung der Arbeitsschutzvorschriften durch den Arbeitgeber eine große Rolle, allerdings auch Haftungsbeschränkungen nach dem SGB VII.
Rz. 37
Erleidet ein Arbeitnehmer infolge eines Arbeitsunfalls einen Gesundheitsschaden, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber die unfallbedingten Kosten übernehmen muss. Nach allgemeinen vertragsrechtlichen und deliktsrechtlichen Grundsätzen, nach denen schuldhafte Vertrags- oder Rechtsgutsverletzungen zum Schadensersatz verpflichten, käme insbesondere auch das Verhalten oder Unterlassen des Arbeitgebers auf den Prüfstand. Die gesetzliche Unfallversicherung, namentlich die §§ 104–113 SGB VII, schließt allerdings in erheblichem Umfang zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus und befreit den Arbeitgeber neben einer Vielzahl weiterer Schädiger insoweit von der Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer. Die Freistellung des Arbeitgebers gem. § 104 SGB VII geht soweit, dass die Einstandspflicht gegenüber dem Geschädigten nur bei Vorsatz und bei Wegeunfällen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII greift.
Rz. 38
Damit spielt die Unfallversicherung im Haftungsrecht des Arbeitsverhältnisses eine herausragende Rolle, weil mit den §§ 104 ff. SGB VII ein eigenes Haftungsregime statuiert wird, welches wirtschaftlich nicht nur den Körper- und Vermögensschaden des Geschädigten sowie seiner Angehörigen absichert, sondern auch quasi als Haftpflichtversicherung des Schädigers fungiert. Der Grund für die Haftungseinschränkung wird in der arbeitgebergetragenen Beitragslast zur Unfallversicherung gesehen; der wirtschaftlich insoweit bereits belastete Arbeitgeber soll von weiter gehenden Ansprüchen verschont werden. Des Weiteren übt sie eine sehr wichtige Friedensfunktion aus, da sie die Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer entlastet. Diese werden nicht durch unter Umständen langwierige Haftungsprozesse erschwert. Die Unfallversicherung deckt nicht nur verschuldete, sondern auch unverschuldete Arbeitsunfälle ab und geht damit über die zivilrechtlichen Haftungstatbestände hinaus.
Rz. 39
Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung kann im Einzelfall so weit gehen, dass dieser auch in den Privaträumen des Arbeitnehmers greift, denn grundsätzlich fällt auch das Home-Office in den Anwendungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern ein sachlicher Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit besteht.
Im Zusammenhang mit der Einstandspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung bei Unfällen im Home-Office hat das Bundessozialgericht in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2016 ausgeführt, dass ein in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützter Betriebsweg ausscheidet, wenn bei einer häuslichen Arbeitsstätte ein Weg innerhalb des Wohngebäudes zurückgelegt wird, um einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem eine Arbeitnehmerin auf dem Weg vom Dachgeschoss (Ort des Home-Office) in die Küche (Erdgeschoss), wo sie ein Glas Wasser trinken wollte, ausgerutscht war und sich verletzte.
Rz. 40
Gegenstand der von der Unfallversicherung übernommenen und damit gegenüber dem Arbeitgeber ausgeschlossenen Ansprüche sind alle Personenschäden sowie sämtliche hiermit verbundenen weiteren Kosten und Aufwendungen, also z.B. Heilungskosten, Schäden an Hilfsmitteln wie Brillen und Prothesen, Erwerbsausfall, entgangener Gewinn, Beerdigungskosten, entgangener Unterhalt, entgangene Dienste usw. Zwar zählt zum Personenschaden auch der Schmerzensgeldanspruch; dieser wird jedoch nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung reguliert, da nach dem SGB VII immaterielle Schäden nicht ersetzt werde...