Rz. 8

Da nur bei einem bestimmten Gefährdungspotential der betrieblichen Arbeit gesetzliche Vorschriften und Unfallverhütungsvorschriften existieren und diese auch dann nur den rechtlichen Rahmen für die Arbeitsorganisation bilden, hängt die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in der betrieblichen Praxis von der Mitwirkung aller Beteiligten, vom Arbeitgeber über die Arbeitnehmer, dem Betriebsrat, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem Sicherheitsbeauftragten und dem Betriebsarzt ab.

I. Anwendungsbereich

 

Rz. 9

Das Gesetz erfasst alle Beschäftigten, ohne Unterscheidung, ob sie in einem privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis tätig sind. Damit unterfallen ihm neben den Arbeitnehmern und Auszubildenden auch die arbeitnehmerähnlichen Personen sowie Beamte, Richter, Soldaten und die in Werkstätten für Behinderte Beschäftigten. Ausgenommen sind lediglich Hausangestellte in privaten Haushalten sowie Beschäftigte auf Seeschiffen und in Bundesberggesetz-Betrieben. Letztgenannte werden durch andere Vorschriften, wie z.B. das Arbeitssicherheitsgesetz, das Geräteschutzgesetz, Unfallverhütungsvorschriften oder durch Sondervorschriften für Berg- und Seeleute, z.B. das Seemannsgesetz, geschützt. Unter den Beschäftigtenbegriff des ArbSchG fallen weiterhin auch Aushilfen, die nur vorübergehend im Betrieb eingesetzt werden, sowie Leiharbeitnehmer und auf der Basis eines Werkvertrags tätige Fremdarbeitnehmer im Betrieb wie auch Telearbeitnehmer oder Außendienstler.[13]

[13] Kollmer/Klindt/Schucht/Schucht, ArbSchG, § 15 Rn 7 ff.

II. Arbeitgeber

1. Verpflichtungen des Arbeitgebers

 

Rz. 10

Die innerbetriebliche Organisation des technischen Arbeitsschutzes obliegt dem Arbeitgeber gem. den §§ 314 ArbSchG. Er muss einerseits auf die Einhaltung der staatlichen Arbeitsschutzvorschriften und andererseits auf die Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften der für den Betrieb zuständigen Berufsgenossenschaft achten. Im Falle der Nichteinhaltung dieser Vorschriften muss er damit rechnen, dass die Gewerbeaufsicht bzw. die Berufsgenossenschaft die Durchführung mittels Verwaltungszwang erzwingen oder ihm Bußgelder auferlegen kann.

 

Rz. 11

Die Verpflichtungen des Arbeitsschutzgesetzes treffen den Arbeitgeber grundsätzlich höchstpersönlich. Er kann allerdings – wie dies auch in größeren Betrieben unumgänglich ist – die Verantwortlichkeit an seinen gesetzlichen Vertreter, an vertretungsberechtigte Organe und Gesellschafter btw. an Unternehmens- und Betriebsleiter im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse übertragen. Zu den beauftragten Personen können u.a. auch aufgrund Unfallverhütungsvorschriften, Gesetz oder Verordnung beauftragte Personen, wie z.B. der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Sicherheitsingenieur oder sonstige Dritte gehören.

 

Rz. 12

Zunächst trifft den Arbeitgeber die materielle Gewährleistungspflicht, Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit sicherzustellen und damit eine umfassende, präventive Handlungspflicht, auch jenseits des Geltungsbereichs von Verordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften tätig zu werden.

 

Rz. 13

 

Beispiele

Arbeitszeitgestaltung: Vermeidung von negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Nacht- und Schichtarbeit, z.B. in Form von Magen-/Darmerkrankungen, Schlafstörungen, psychischen Problemen
Arbeitsorganisation: Vermeidung von Stress infolge von widersprüchlichen Arbeitsanweisungen, Arbeitsverdichtung, Zeit- oder Termindruck, der zu beträchtlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen z.B. in Form von Magen-/Darmbeschwerden, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen führen kann
 

Rz. 14

Der Arbeitgeber ist allerdings "nur" im Rahmen des Erforderlichen verpflichtet, was bedeutet, dass jeweils das zur Verfügung stehende mildeste Mittel zur Abwehr einer bestehenden Gesundheitsgefahr ergriffen werden muss, und dies auch nur dann, wenn es nicht zu einem möglichen Erfolg außer Verhältnis steht.[14]

 

Rz. 15

Dabei hat der Arbeitgeber zum einen Wirksamkeitskontrollen durchzuführen und zum anderen die Arbeitsbedingungen mit dem Ziel stetiger Verbesserung sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Diese Kontrollen können regelmäßig oder aus besonderem Anlass erfolgen.

 

Rz. 16

 

Beispiele

Regelmäßig: schneller Turnus der Kontrollen bei hoher Gefährdung am Arbeitsplatz nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, z.B. bei der Arbeit mit gefährlichen Chemikalien
Besonderer Anlass: Änderung der Belastungsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers, Verschlechterung des Gesundheitszustandes, häufige Arbeitsunfälle, neue relevante Erkenntnisse über Gefahren am Arbeitsplatz, bessere Schutzmöglichkeiten aufgrund neuer Techniken
 

Rz. 17

Ziel der Anpassungsverpflichtung ist, eine kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Damit einhergehend wird der Arbeitgeber auch verpflichtet, für eine geeignete ­Organisation des Arbeitsschutzes zu sorgen, d.h. zunächst eine Konzeption des betrieblichen Arbeitsschutzes vorzulegen, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen und für...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?