1. Zulässigkeit
Rz. 104
Sind genügend Mittel für die Kosten der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden, ist der Nachlasspfleger trotzdem nicht im Außenverhältnis zu den Nachlassgläubigern verpflichtet, einen entsprechenden Antrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Diese Verpflichtung trifft nach § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB allein den Erben (der nicht ermittelt wird). Denn der Nachlasspfleger ist nicht zur Gläubigerbefriedigung berechtigt. Aus seiner Berechtigung gemäß § 317 Abs. 1 InsO, die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, kann er im Innenverhältnis zum Erben bei Meidung einer Schadensersatzpflicht zwar dazu verpflichtet sein, um eine Verkürzung des Nachlasses und damit einen Schaden des Erben abzuwenden. Im Ergebnis tritt aber eine Verkürzung angesichts der erheblichen Verfahrenskosten des Insolvenzverfahrens eher durch die Einleitung des Insolvenzverfahrens ein (ca. 50 % des Nachlasses insbesondere für die Insolvenzverwaltervergütung). Da sich die Quote der Gläubiger dann entsprechend auch reduziert, ist eine Abwicklung über die Nachlasspflegschaft kostengünstiger und damit auch in deren wirtschaftlichem Interesse. Dies setzt allerdings voraus, dass entweder keine anfechtungsrechtlichen Ansprüche nach §§ 129 ff. InsO existieren, die nur ein Insolvenzverwalter zur Masse ziehen könnte, oder dass die Schuldner solcher Ansprüche diese freiwillig im Rahmen der Nachlasspflegschaft an diesen zur Gläubigerbefriedigung erfüllt haben.
Rz. 105
Hier bietet sich ein außergerichtlicher Gläubigervergleich an, der nach allgemeiner Meinung zulässig ist. Mit den Gläubigern wird jeweils vergleichsweise im Sinne des § 779 Abs. 2 BGB (Unsicherheit über die Rechtsverwirklichung) die Zahlung einer Quote aus dem Restnachlass unter Verzicht auf die Restforderung und die Titulierung des Anspruchs sowie der gegenseitige Verzicht auf einen Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart. Der Vergleich steht unter der Bedingung, dass sämtliche Gläubiger einem solchen Vergleich zustimmen. Er bedarf gemäß §§ 1960, 1915, 1822 Nr. 12 BGB der nachlassgerichtlichen Genehmigung, wenn der Vergleichsbetrag mit dem jeweiligen Gläubiger den Wert von 3.000 EUR übersteigt. Auf die Höhe des Gesamtanspruchs kommt es nicht an
2. Gläubigeraufgebotsverfahren
Rz. 106
Zur Vorbereitung dieses Vergleiches ist es aber unerlässlich, zuvor ein Gläubigeraufgebotsverfahren nach § 1970 BGB durchzuführen. In diesem Verfahren werden Nachlassgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden. Melden sich Gläubiger erst nach Ablauf der Aufgebotsfrist, kann der Nachlasspfleger deren Befriedigung verweigern, soweit der Nachlass schon erschöpft ist. Dem Nachlasspfleger ist es hierdurch möglich, den Bestand der Forderungen festzustellen und unbekannt gebliebene Gläubiger auszuschließen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass er sich mit den Gläubigern, die ihre Forderungen angemeldet haben, abschließend auf eine Quotenzahlung vergleichen kann. Der Nachlasspfleger braucht dann nicht mehr zu befürchten, dass später auftauchende Gläubiger ihn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wollen mit der (zweifelhaften) Argumentation, sie hätten das Insolvenzverfahren beantragt und eine Quote erhalten. Denn der Ausschluss gilt auch für ein Insolvenzverfahren, vgl. § 327 Abs. 3 InsO. Die Notwendigkeit der Durchführung des Gläubigeraufgebotsverfahrens wird in der Praxis der Nachlasspflegschaft und der anwaltlichen erbrechtlichen Beratung verkannt.
Rz. 107
Im Einzelnen gilt für das Gläubigeraufgebotsverfahren (§ 1970 BGB i.V.m. §§ 433, 454 ff. FamFG) Folgendes:
a) Zuständigkeit
Rz. 108
Zuständig ist (wenn eine Regelung im Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts fehlt) das Amtsgericht – streitige Zivilabteilung, nicht das Nachlassgericht und zwar unabhängig vom Streitwert. Funktionell zuständig ist nunmehr der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. c RPflG), die bisherige Richterzuständigkeit wurde gestrichen.