Rz. 143

Scheitert ein Gläubigervergleich, ist eine solche Abwicklung zu komplex oder aufwändig oder droht oder erfolgt eine Vollstreckung in den Nachlass, ist die Abwicklung über das Insolvenzverfahren[159] angezeigt, damit die Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Der Nachlasspfleger muss eine vorrangige Befriedigung vollstreckender Gläubiger verhindern. Dies kann er nur über das Nachlassinsolvenzverfahren, da gemäß § 321 InsO die Nachlassgläubiger kein Recht zur abgesonderten Befriedigung aus Maßnahmen der Zwangsvollstreckung haben, die nach dem Erbfall erfolgt sind. Dies gilt für Pfändungen, Anordnungen der Zwangsversteigerung bzw. der Zwangsverwaltung, die Eintragung einer Zwangs- bzw. Arresthypothek, eine durch einstweilige Verfügung erlangte Vormerkung sowie Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamtes.[160] Es handelt sich insoweit um eine Besonderheit des Nachlassinsolvenzverfahrens. Während im "normalen" Insolvenzverfahren gemäß § 88 InsO nur Sicherungen, die ein Gläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Zwangsvollstreckung erlangt hat, unwirksam werden, verhindert § 321 InsO alle diesbezügliche Sicherungen nach dem Erbfall. Bei vollständiger Befriedigung bleibt diese von § 321 InsO unberührt, es ist lediglich unter Umständen eine Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO wegen inkongruenter Deckung möglich.[161]

 

Rz. 144

 

Praxistipp

Der Nachlasspfleger sollte bei vollständiger Befriedigung eines Gläubigers in der Zwangsvollstreckung beachten, dass eine Insolvenzanfechtung vom Insolvenzverwalter ohne den Nachweis weiterer Voraussetzungen nur sicher möglich ist, wenn sie im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Er sollte daher aus Haftungsgründen auch den Insolvenzeröffnungsantrag innerhalb dieser Frist stellen.

 

Rz. 145

Auch ohne einen Antrag des Nachlasspflegers kann es aber zu einer Nachlassinsolvenz kommen, wenn über das Vermögen des Erblassers zu Lebzeiten ein Eröffnungsverfahren oder ein bereits eröffnetes Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren lief. Dass derartige Verfahren laufen, ist dem Nachlassgericht nicht zwangsläufig bekannt. Sobald das Insolvenzgericht vom Tod des Erblassers erfährt, ist ein laufendes Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren in ein Nachlassinsolvenzverfahren zu überführen.[162] Im Verbraucherinsolvenzverfahren scheidet eine Weiterverfolgung des Antrages auf Restschuldbefreiung aus; eine Fortführung der Wohlverhaltensperiode mit den Erben ist grundsätzlich nicht möglich. Eine vererbbare Rechtsposition hat der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode noch nicht erlangt, da ihm lediglich die Restschuldbefreiung angekündigt (vgl. § 287a Abs. 1 InsO), aber noch nicht erteilt (vgl. § 300 Abs. 1 InsO) worden ist. Eine Restschuldbefreiung ist erst "vererbbar", wenn zum Zeitpunkt des Todes des Schuldners die Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits abgelaufen ist oder die Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO vorliegen.[163] Die Restschuldbefreiung kann in diesem Fall mit der Maßgabe erfolgen, dass sie den (unbekannten) Erben des Schuldners hinsichtlich der nicht erfüllten persönlichen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründeten Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber seinen Insolvenzgläubiger erteilt wird.[164]

 

Rz. 146

Der Nachlasspfleger berechtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, § 317 Abs. 1 InsO, ebenso jeder Gläubiger. Die Nachlasspflegschaft bleibt für die Dauer des Insolvenzverfahrens bestehen.[165] Er vertritt die unbekannten Erben als Schuldner in dem Verfahren und nimmt im Wesentlichen die Zustellungen des Insolvenzgerichts entgegen. Der Nachlasspfleger hat aber die verwalteten Vermögenswerte an den Insolvenzverwalter herauszugeben, § 80 Abs. 1 InsO, § 1890 BGB. Gibt der Insolvenzverwalter Vermögen frei, kann der Nachlasspfleger hierüber wieder verfügen.

 

Rz. 147

Der Antrag eines Nachlasspflegers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist zulässig, wenn er eine Überschuldung des Nachlasses in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht erforderlich.[166] Hierzu sind die Tatsachen vorzutragen, aus denen auf den Eröffnungsgrund geschlossen werden kann (Verbalbeschreibung des Nachlasses/Übersendung einer Kopie des Nachlassverzeichnisses).[167]

 

Rz. 148

 

Praxistipp

Der Nachlasspfleger sollte darauf achten, vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Vergütung festsetzen zu lassen und diese nebst Auslagen vor Herausgabe an den Insolvenzverwalter abzuziehen, anderenfalls ist er mit seiner Vergütung nach den Kosten des Insolvenzverfahrens Massegläubiger (§ 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und muss ggf. einen Ausfall befürchten.[168] Dieses Vorgehen ist zulässig.[169] Die Entnahme ist selbst bei Masseunzulänglichkeit nicht durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129, 130 InsO anfechtbar.[170]

 

Rz. 149

Für die Vertret...

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