Rz. 24

Kann kein Erbe ermittelt werden, verbleibt letztlich das gesetzliche Erbrecht des Fiskus gemäß §§ 1936, 1964 ff. BGB. Dieses hat in erster Linie Ordnungsfunktion. Es soll herrenlose Nachlässe vermeiden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung sichern. Es verfolgt nicht in erster Linie den Zweck, dem Fiskus einen Anteil am Nachlasswert zu sichern.[27] Wegen der Ordnungsfunktion des gesetzlichen Noterbrechts des Fiskus ist in diesen Fällen eine Ausschlagung nicht zulässig, § 1942 Abs. 2 BGB.

 

Rz. 25

Inhaltlich ist das Erbrecht des Staates wie das Erbrecht Privater gestaltet, für das allerdings gewisse Sonderregelungen gelten.[28]

[27] MüKo-BGB/Lange, § 1936 Rn 2.
[28] Staudinger/Werner (2008), § 1936 Rn 2; zur ordnungsrechtlichen Zustandshaftung vgl. VGH Kassel v. 27.3.2014 – 8 A 1251/12, BeckRS 2014, 51416.

1. Voraussetzung

 

Rz. 26

Voraussetzung ist nach § 1964 BGB, dass der Nachlasspfleger den Erben nicht in einer den Umständen entsprechenden Frist ermitteln kann. Seine Ermittlungen müssen erschöpfend sein und gegenüber dem Nachlassgericht dargelegt werden. Die Ermittlungen müssen nicht eine bestimmte Person als Erben ausweisen, um den Beschluss unzulässig zu machen. Das Feststellungsverfahren ist bereits ausgeschlossen, wenn sicher ist, dass jemand da ist, der dem Fiskus vorgeht.[29]

 

Rz. 27

Sodann sollte der Nachlasspfleger beim Nachlassgericht anregen, dass das Verfahren zur Feststellung des Fiskuserbrechts eingeleitet wird.

[29] Vgl. Staudinger/Werner (2008), § 1964 Rn 10.

2. Feststellungsverfahren

a) Zulässigkeit

 

Rz. 28

Das Feststellungsverfahren ist nur zulässig, wenn der Erblasser nach deutschem Recht beerbt wird. Bei ausländischem Erbstatut richtet sich das Fiskuserbrecht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 nach Art. 33 EUErbVO und § 32 Abs. 3 und 4 IntErbRVG.[30] Hiernach gilt ein vorrangiges Aneignungsrecht des Fiskus, in dem sich das Nachlassvermögen befindet.[31]

[30] Zum Erbrecht des deutschen Fiskus hinsichtlich des in Deutschland belegenen Vermögens eines österreichischen Staatsangehörigen, dessen Nachlass erbenlos, ist nach altem Recht vgl. OLG München v. 26.5.2011 – 31 Wx 78/11, ZEV 2011, 469 = ZErb 2011, 219.
[31] Vgl. ausführlich auch zum besonderen Verfahren: Dutta, ZEV 2015, 493, 497 ff.

b) Prüfungsumfang

 

Rz. 29

Das Nachlassgericht hat in diesem Verfahren auch zu prüfen, ob Erben die Erbschaft wirksam ausgeschlagen haben oder aus sonstigen Gründen als gesetzliche Erben durch Erbverzicht o.Ä. weggefallen sind.[32]

c) Verfahren nach FamFG

 

Rz. 30

Das Feststellungsverfahren nach §§ 19641965 BGB ist sonstige Nachlasssache gemäß § 342 Abs. 1 Nr. 9 FamFG. Es gelten damit alle Verfahrensvorschriften des FamFG.[33] Sind die Voraussetzungen des Verfahrens gegeben, erlässt das Nachlassgericht damit gemäß § 1965 BGB i.V.m. §§ 433 ff. FamFG eine öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte.

 

Rz. 31

Die Bekanntmachung erfolgt nach § 435 Abs. 1 FamFG durch Aushang an der Gerichtstafel (oder Veröffentlichung in einem im Gericht zugänglichen elektronischen Informationssystem) sowie durch einmalige Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger. Die Anmeldungsfrist beträgt mindestens sechs Wochen, § 437 FamFG, kann aber nach Ermessen des Nachlassgerichts auch länger bestimmt werden.

 

Rz. 32

Die Durchführung des Aufgebots ist zwingend.[34] Auf das Aufforderungsverfahren kann nach § 1965 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann verzichtet werden, wenn seine Kosten dem Nachlasswert gegenüber unverhältnismäßig groß sind. Dies soll bei Nachlässen von 1.000 bis 3.000 EUR der Fall sein.[35]

 

Rz. 33

Wird während der Aufgebotsfrist ein Erbrecht angemeldet, muss dieses binnen einer weiteren Wartefrist von drei Monaten nach Aufgebotsende entweder beim Nachlassgericht nachgewiesen werden oder aber der Erbberechtigte muss das Erbrecht klageweise gegen den Fiskus geltend machen, § 1965 Abs. 2 BGB. Im letzteren Fall hat das Nachlassgericht dann den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten.

 

Rz. 34

 

Praxistipp

Der Nachlasspfleger sollte darauf hinwirken, dass in der öffentlichen Aufforderung mit aufgenommen wird, dass bereits erfolglos eine (professionelle) Erbenermittlung stattgefunden hat und dass der Nachlasswert mitgeteilt wird. So erspart er sich eine Vielzahl von Anfragen von Erbenermittlern, die den Bundesanzeiger studieren.

[33] Vgl. MüKo-ZPO/Mayer, FamFG, § 342 Rn 3.
[35] Jochum/Pohl, Rn 1049.

d) Feststellungsbeschluss und Legitimationswirkung

 

Rz. 35

Nach ergebnislosem Fristablauf erlässt das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss dahingehend, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, § 1964 Abs. 1 BGB. Gegen den Beschluss kann der Fiskus Beschwerde einlegen, wobei die Beschwerdefrist von einem Monat zu beachten ist, bei deren Versäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, auch wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung unterblieb.[36] Durch diesen Beschluss wird der wirkliche Erbe aber nicht ausgeschlossen. Er begründet gemäß § 1964 Abs. 2 BGB nur die widerlegbare Vermutung, dass der Fiskus Erbe geworden ist.[...

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