Rz. 79

Auch wenn der Kläger für die den Anspruch begründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist, bedarf es nicht in allen Fällen der Führung des Urkundenbeweises.

 

Rz. 80

So kann auf die Vorlage einer Urkunde verzichtet werden, wenn die nachzuweisende Tatsache beim Prozessgericht offenkundig ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 291 ZPO, der auch im Urkundenprozess Anwendung findet.

 

Rz. 81

Eines Urkundenbeweises bedarf es auch dann nicht, wenn der Beklagte den Klageanspruch mit oder ohne Vorbehalt seiner Rechte im Nachverfahren anerkennt.[99] Insoweit darf der Urkundenprozess den Kläger nicht schlechter stellen, als er in einem ordentlichen Erkenntnisverfahren nach einem Anerkenntnis des Beklagten stehen würde. Der Kläger muss also in diesem Fall nicht zunächst vom Urkundenverfahren Abstand nehmen, um ein Anerkenntnisurteil zu erlangen.

 

Rz. 82

Der Urkundenbeweis ist für solche Tatsachen auch im Urkundenprozess entbehrlich, die der Beklagte entweder im Sinne von § 288 ZPO ausdrücklich zugesteht oder jedenfalls im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO nicht bestritten hat.[100] Auf die obigen Darlegungen wird verwiesen. Auch hier gilt, dass der Kläger nicht schlechter zu stellen ist als im ordentlichen Erkenntnisverfahren, wo er zugestandene oder nicht bestrittene Tatsachen ebenfalls nicht beweisen muss. Allerdings darf damit kein Missbrauch des Urkundenprozess begründet werden, sodass ein Urkundenprozess ohne Urkunden weiter unzulässig bleibt. Hier scheitert die Klage schon im Rahmen der Zulässigkeit an der Statthaftigkeit.

 

Rz. 83

 

Hinweis

Gleichwohl zeigt die Praxis immer wieder Fälle, in denen der Kläger lediglich Kopien, nicht aber die Originale der Urkunden in Händen hält. Aufgrund der Möglichkeit, später noch vom Urkundenprozess Abstand zu nehmen, wird dann der Urkundenprozess betrieben, in dem der Beklagte aufgrund einer bewusst oder unbewusst für ihn nachteiligen Prozessführung die dort niedergelegten Tatsachen zugesteht. Aufgrund dessen wird dann in der mündlichen Verhandlung auf die Vorlage der Urkunden verzichtet. Letztlich hat dann ein Urkundenprozess ohne Urkunde stattgefunden. Es obliegt also dem Beklagten zu rügen, dass der Kläger nicht über das Original der Urkunde verfügt und deshalb die falsche Verfahrensart gewählt wurde. Dafür muss eine Erklärung zu der Frage abgegeben werden, ob die vorgetragenen Tatsachen und damit die Urkunde richtig oder falsch sind.

 

Rz. 84

Vom Urkundenbeweis ausgenommen sind auch die Prozessvoraussetzungen, die keinen beweisrechtlichen Beschränkungen unterliegen, sodass deren Nachweis mit allen Beweismitteln geführt werden kann.[101]

 

Rz. 85

 

Tipp

Soweit hier eine Beweisführung über Urkunden hinaus erforderlich ist, sollte sich diese auf die Stellung präsenter Zeugen im Termin zur mündlichen Verhandlung beschränken können, da anderenfalls der Beschleunigungseffekt des Urkundenprozesses verloren geht.

 

Rz. 86

Wenn ausländisches Recht zur Anwendung kommen kann oder muss, gilt § 293 ZPO uneingeschränkt, sodass auch hier keine Beschränkung auf den Urkundenbeweis stattfindet. Das Gericht kann zur Klärung der ausländischen Rechtsfrage daher auch ein Sachverständigengutachten einholen.[102]

[99] MüKo-ZPO/Braun, § 592 Rn 12.
[100] BGH ZIP 1994, 24; BGH WM 1985, 738; BGHZ 62, 286; OLG Köln VersR 1993, 901; a.A. MüKo-ZPO/Braun, § 592 Rn 14; Musielak/Voit, § 592 Rn 11.
[101] Stein/Jonas/Berger, § 595 Rn 11; MüKo-ZPO/Braun, § 595 Rn 3.
[102] BGH MDR 1997, 879 = NJW-RR 1997, 1154.

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