a) Einseitig durch notariellen Widerruf
Rz. 9
Bei einem gemeinschaftlichen Testament tritt die Bindungswirkung bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen erst mit dem Tod des Erstversterbenden ein. Vor dem Tod ist jeder Ehegatte berechtigt, durch einseitigen notariellen Widerruf, der dem anderen Ehegatten zugehen muss, das Testament und somit seine Beschränkung der Testierfreiheit aufzuheben (vergleiche §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB). Die Widerrufserklärung muss dem Ehegatten im Original zugehen – eine beglaubigte Abschrift genügt nicht.
Rz. 10
Steht ein Ehegatte unter Betreuung, dann muss die Widerrufserklärung dem Betreuer zugestellt werden. Nach h.M. ist für eine wirksame Zustellung ausreichend, wenn der Betreuer für den Aufgabenbereich Vermögensangelegenheiten bestellt ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass für die Entgegennahme und den Zugang der Widerrufserklärung eine gesonderte Betreuerbestellung zu erfolgen hat. Ist der widerrufende Ehepartner selbst der Betreuer, dann bedarf es zur Entgegennahme der Widerruferklärung eines Ergänzungsbetreuers (§§ 1908i, 1795 Abs. 2, 181 BGB).
Rz. 11
Aufgrund der Tatsache, dass der Widerruf bei Geschäftsunfähigen dessen gesetzlichen Vertreter zugehen muss (§ 131 Abs. 1 BGB), ist umstritten, ob es ausreicht, wenn die Widerruferklärung einem Bevollmächtigten zugestellt wird. Das LG Leipzig hat dies für den Fall bejaht, dass der Geschäftsunfähige eine Vorsorgevollmacht erstellt hat und das Betreuungsgericht aufgrund dessen die Bestellung eines (weiteren) Betreuers zur Entgegennahme der Widerrufserklärung abgelehnt hatte.
Rz. 12
Muster 9.2: Einseitiger Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments
Muster 9.2: Einseitiger Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments
_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)
Am _________________________ habe ich, _________________________, mit meiner Ehefrau _________________________ mit notarieller Urkunde vor dem Notar _________________________, Urkundenrolle Nr. _________________________, ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Hiermit widerrufe ich sämtliche in diesem gemeinschaftlichen Testament von mir getroffenen Verfügungen von Todes wegen in vollem Umfang. Eine Ausfertigung dieser notariell beurkundeten Widerrufserklärung wird meinem Ehegatten entsprechend den Formerfordernissen der §§ 2296 Abs. 2, 130, 132 BGB zugestellt. Damit beauftrage ich den amtierenden Notar bzw. seinen Vertreter im Amt hiermit.
Praxishinweis
Der Widerruf muss dem anderen Ehegatten in Ausfertigung zugehen, beglaubigte Abschrift reicht nicht! Im Übrigen ist für die Praxis die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher empfehlenswert. Dem Gerichtsvollzieher muss mitgeteilt werden, dass er nicht etwa eine von ihm beglaubigte Abschrift zustellen darf, sondern die Original-Ausfertigung zustellen muss. Dies sollte jeder gewissenhafte Berater danach auch selbst kontrollieren.
b) Aufhebung durch gemeinschaftliches Testament
Rz. 13
Sind sich die Ehegatten einig und wollen sie in Zukunft einzeln testieren, dann können sie auch in einem gemeinschaftlichen Widerrufstestament die Ehegattenverfügung beseitigen (§§ 2253, 2254 BGB). Vorsicht ist hier aber bei der Frage geboten, ob es reicht, wenn die Ehegatten ihr gemeinschaftliches Testament zerreißen, § 2255 BGB. Auch wenn dies gemäß § 2255 BGB grundsätzlich ausreichend ist, sollte sich der Berater hierauf nicht einlassen. Es lässt sich später möglicherweise nicht beweisen, dass das Testament mit dem Willen beider Ehegatten zerrissen wurde. Den Ehegatten, der sich auf den gemeinsamen Widerruf durch Vernichtung des Testamentes beruft, trifft dann hierfür die Beweislast. Ein gemeinschaftlicher Widerruf in einem gemeinschaftlichen Testament ist daher sinnvoll und dem Mandanten unbedingt anzuraten.
Rz. 14
Muster 9.3: Gemeinsame Aufhebung bisheriger Verfügungen durch Ehegattentestament
Muster 9.3: Gemeinsame Aufhebung bisheriger Verfügungen durch Ehegattentestament
Wir, die Eheleute _________________________, erklären, dass wir nicht durch ein bindend gewordenes gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag an der Errichtung dieser Verfügung von Todes wegen gehindert sind. Hiermit heben wir einzeln und gemeinsam alle sonstigen bisher von uns errichteten Verfügungen von Todes wegen, seien sie einzeln oder gemeinsam errichtet, insbes...