I. Wechselbezüglichkeit von Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament
Rz. 3
Bei einem Ehegattentestament ist eine Bindungswirkung dann anzunehmen, wenn es sich um eine wechselbezügliche Verfügung handelt (vgl. hierzu § 3 Rdn 17 ff. und § 19 Rdn 52 ff.). Das ist der Fall, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Anders gesagt: der eine Ehegatte hat seine Verfügung nur im Hinblick auf die Verfügung des anderen so bestimmt. Voraussetzung ist somit eine gegenseitige innere Abhängigkeit beider Verfügungen. Gemäß § 2270 Abs. 3 BGB können jedoch in einem gemeinschaftlichen Testament nur die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Auflage und die Wahl des anzuwendenden Rechts wechselbezüglich und bindend sein.
II. Feststellung der Wechselbezüglichkeit
Rz. 4
Ist in einem gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit nicht ausdrücklich genannt, so ist zunächst nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, ob eine Wechselbezüglichkeit vorliegt (§§ 133, 2084 BGB). Maßgebend ist dabei der Wille der Ehepartner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Die Tatsache, dass Ehepartner in einer gemeinschaftlichen Urkunde testieren, bedeutet nicht zwangsläufig, dass wechselbezügliche Verfügungen vorliegen. Im Rahmen der Auslegung ist die Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung gesondert festzustellen. Ist durch Auslegung eine Wechselbezüglichkeit nicht festzustellen, ist auf die Vermutungsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB zurückzugreifen (vgl. § 3 Rn 17 ff.).
Rz. 5
Die Vorschrift des § 2270 Abs. 2 BGB enthält zwei Alternativen, die zu einer Vermutung der Wechselbezüglichkeit führen. Nach § 2270 Abs. 2 1. Alt. BGB ist eine Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken. Ein Zuwenden liegt vor, wenn der Ehepartner jeweils zum Erben, Vorerben oder Nacherben oder auch nur zum Vermächtnisnehmer bestimmt wird. Gegenseitigkeit liegt dabei auch vor, wenn ein Ehepartner zum Erben, dieser den anderen aber nur zum Vermächtnisnehmer bestimmt hat.
Rz. 6
Nach § 2270 Abs. 2 2. Alt. BGB ist von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen, wenn dem einen Ehegatten eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten von diesem eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht (vgl. hierzu § 19 Rdn 53 ff.). Die Frage, ob ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, bestimmt sich nach § 1589 BGB. Das Verwandtschaftsverhältnis muss dabei zu dem Ehepartner bestehen, der die gegenläufige Verfügung getroffen hat. Nicht erforderlich ist, dass das Verwandtschaftsverhältnis zu beiden Ehepartnern besteht. An den Begriff der nahe stehenden Person ist ein strenger Maßstab anzulegen. In Betracht kommen Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder, enge Freunde, langjährige Angestellte und ggf. auch Verschwägerte. Nicht darunter fallen demnach Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung noch nicht geboren oder dem Erblasser nicht bekannt waren.
III. Bindende Verfügungen beim Erbvertrag
Rz. 7
Bei einem Erbvertrag liegt eine bindende Verfügung vor, wenn diese in vertragsmäßiger Weise getroffen wurde (§ 2278 BGB). Die Bindungswirkung besteht dann mit Abschluss des Vertrages und kann nicht mehr einseitig widerrufen werden. Allerdings können sich die Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht vorbehalten (zum Rücktritt vom Erbvertrag vgl. § 24 Rdn 117)ff.