Rz. 4

Ist in einem gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit nicht ausdrücklich genannt, so ist zunächst nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, ob eine Wechselbezüglichkeit vorliegt (§§ 133, 2084 BGB).[4] Maßgebend ist dabei der Wille der Ehepartner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Die Tatsache, dass Ehepartner in einer gemeinschaftlichen Urkunde testieren, bedeutet nicht zwangsläufig, dass wechselbezügliche Verfügungen vorliegen.[5] Im Rahmen der Auslegung ist die Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung gesondert festzustellen.[6] Ist durch Auslegung eine Wechselbezüglichkeit nicht festzustellen, ist auf die Vermutungsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB zurückzugreifen (vgl. § 3 Rn 17 ff.).

 

Rz. 5

Die Vorschrift des § 2270 Abs. 2 BGB enthält zwei Alternativen, die zu einer Vermutung der Wechselbezüglichkeit führen. Nach § 2270 Abs. 2 1. Alt. BGB ist eine Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken. Ein Zuwenden liegt vor, wenn der Ehepartner jeweils zum Erben, Vorerben oder Nacherben oder auch nur zum Vermächtnisnehmer bestimmt wird. Gegenseitigkeit liegt dabei auch vor, wenn ein Ehepartner zum Erben, dieser den anderen aber nur zum Vermächtnisnehmer bestimmt hat.[7]

 

Rz. 6

Nach § 2270 Abs. 2 2. Alt. BGB ist von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen, wenn dem einen Ehegatten eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten von diesem eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht (vgl. hierzu § 19 Rdn 53 ff.). Die Frage, ob ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, bestimmt sich nach § 1589 BGB. Das Verwandtschaftsverhältnis muss dabei zu dem Ehepartner bestehen, der die gegenläufige Verfügung getroffen hat.[8] Nicht erforderlich ist, dass das Verwandtschaftsverhältnis zu beiden Ehepartnern besteht.[9] An den Begriff der nahe stehenden Person ist ein strenger Maßstab anzulegen.[10] In Betracht kommen Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder,[11] enge Freunde, langjährige Angestellte[12] und ggf. auch Verschwägerte.[13] Nicht darunter fallen demnach Personen, die zum Zeitpunkt der Errichtung noch nicht geboren oder dem Erblasser nicht bekannt waren.[14]

[4] BayObLG FamRZ 1999, 1388; OLG Frankfurt ZEV 1997, 420. Zu den Kriterien, die im Rahmen einer Auslegung für eine Wechselbezüglichkeit sprechen, vgl. die Auflistung von J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2270 Rn 28, 32 ff.
[5] BayObLG NJW-RR 1987, 1410.
[6] BayObLG FamRZ 1988, 879; OLG Frankfurt ZEV 1997, 420.
[7] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 Rn 59.
[8] MüKo/Musielak, § 2270 Rn 11.
[9] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 Rn 66.
[10] BayObLG FamRZ 1991, 1232; OLG Hamm FamRZ 2001, 1647.
[11] BayObLG FamRZ 1985, 1287.
[12] BayObLGZ 1982, 474.
[13] BayObLG FamRZ 1994, 191.
[14] J. Mayer, in: Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 Rn 67.

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