Dr. iur. Matthias Quarch, Dr. Michael Pießkalla
I. Die unterschiedlichen Ausgangssituationen
Rz. 1
Bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung sind verschiedene Fallgestaltungen zu unterscheiden. Wichtig für den richtigen Weg zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist die Ausrichtung der Beratung und Vertretung an der konkreten Ausgangssituation.
Grundsätzlich ist nach vorangegangener Entziehung die Eignung nach den Regeln des § 2 StVG i.V.m. den Bestimmungen der FeV zu überprüfen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Entziehung in einer strafgerichtlichen Entscheidung oder in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren erfolgt ist.
II. Die unterschiedlichen Fallgestaltungen
1. Entziehung nach dem Punktesystem
Rz. 2
Bei Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach einer Entziehung aufgrund des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 10 StVG wird in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet.
2. Entziehung bei Fahrerlaubnis auf Probe
Rz. 3
Vor Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung der Fahrerlaubnis auf Probe kommen folgende abgestufte Maßnahmen in Betracht.
Rz. 4
Die Teilnahme an einem Aufbauseminar ist gemäß § 2a Abs. 2 Nr. 1 StVG anzuordnen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe eine schwer wiegende Zuwiderhandlung oder zwei weniger schwer wiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Ebenso ist die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen (§ 2a Abs. 4 S. 2 StVG), wenn die Fahrerlaubnisbehörde nach Auswertung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung eine Nichteignung für nicht erwiesen hält.
Bei der Anordnung muss eine Frist gesetzt werden, deren Länge im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht: Sie muss in jedem Fall angemessen sein.
Im Übrigen verlängert sich die Probezeit gemäß § 2a Abs. 2a StVG, wenn die Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet worden ist.
Rz. 5
Bei den in Betracht kommenden Seminaren sind zu unterscheiden:
Rz. 6
Über die Teilnahme an einem Aufbauseminar wird durch den Seminarleiter eine Teilnahmebescheinigung erstellt.
3. Wiedererteilung nach Entziehung bei Alkoholproblematik
Rz. 7
Bei Alkoholauffälligkeit ohne Alkoholabhängigkeit ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, bei Anhaltspunkten für Alkoholmissbrauch die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. a FeV) anzuordnen, weil es hierbei im Wesentlichen um die (charakterliche) Beurteilung des Alkoholtrinkverhaltens des Betroffenen und den Umgang mit dem Alkohol geht. Gleiches gilt nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b bis e FeV
▪ |
bei wiederholten Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss, |
▪ |
bei Führen eines Kraftfahrzeugs unter erheblichem Alkoholeinfluss, d.h. ab einer BAK von 1,6 ‰ bzw. einer AAK von 0,8 mg/l, |
▪ |
bei Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, wenn die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs, wiederholter Alkoholauffälligkeit oder wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter erheblichem Alkoholeinfluss entzogen worden war, und |
▪ |
für die Klärung, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht. |
Der instanzgerichtlichen Rechtsprechungstendenz der vergangenen Jahre, wonach bei einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsdelikten im Rahmen der Wiedererteilung in jedem Fall eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung erforderlich sein soll, hat das BVerwG mit Urt. v. 6.4.2017 eine Absage erteilt und im Leitsatz ausgeführt:
Zitat
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen.
4. Wiedererteilung nach Entzug aufgrund Drogenproblematik
Rz. 8
Bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung aufgrund festgestellten Umgangs mit Betäubungs- und Arzneimitteln ist die Fahrerlaubnisbehörde zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Rahmen der Neuerteilung verpflichtet, wenn aus Gründen des Umgangs mit Betäubungs- und Arzneimitteln die Fahrerlaubnis entzogen war, oder wenn zu klären ist, ob Abhängigkeit oder Einnahme von Betäubungs- und Arzneimitteln nicht mehr vorliegen (§ 14 Abs. 2 FeV).
Rz. 9
Auch kann die Beibringung eines Gutachtens einer BfF angeordnet werden, wenn Cannabis gelegentlich eingenommen wurde und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung gemäß § 14 Abs. 1 S. 3 FeV rechtfertigen. Gleiches gi...