Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 2
Die Ausschlagungsfrist gewährt dem Erben eine ungefährliche Bedenkzeit, ob er den Übergang des Vermögens des Erblassers mit der Übernahme der Haftung und der Verwaltung will. Tritt schon während dieser Bedenkzeit ein Gläubiger an ihn heran, so braucht es keinen wilden Aktionismus. Dieser ist weder im Sinne einer sofortigen Ausschlagung noch im Sinne einer sofortigen Erfüllung einer jeglichen Forderung angeraten. Vielmehr kann und sollte der vorläufige Erbe den Gläubiger schlicht auf § 1958 BGB und darauf verweisen, sich zu gedulden!
Hinweis
Eine vorschnelle Erfüllung könnte sogar als Annahme der Erbschaft gewertet werden; eine vorschnelle Ausschlagung später bereut werden (siehe oben § 3).
Rz. 3
Zwar ist der Erbe wegen des Von-selbst-Erwerbs und wegen § 1967 BGB schon vor der Annahme materiell-rechtlich passiv legitimiert. Diese entfällt aber rückwirkend, sobald er ausschlägt. Daher garantiert § 1958 BGB, dass er nicht gerichtlich in Anspruch genommen werden kann. Klagen gegen ihn während des Laufs der Ausschlagungsfrist sind nach § 1958 BGB unzulässig.
Hinweis
Klagen gegen einen Testamentsvollstrecker oder einen Nachlasspfleger sind aber möglich.
Rz. 4
Während noch das Reichsgericht aus § 1958 BGB auch ein materielles Leistungsverweigerungsrecht heraus abgeleitet hat, beschränkt sich nach heute h.M. die Bedeutung der Norm auf den prozessualen Bereich. Außergerichtlich kann die Forderung geltend gemacht oder gemahnt werden; auch eine Aufrechnung oder ein Rücktritt sowie die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes gegenüber dem vorläufigen Erben sind möglich.
Hinweis
Eine gegenüber dem vorläufigen Erben erfolgte Mahnung besteht ihm selbst und auch dem nach § 1953 BGB an seine Stelle tretenden Erben gegenüber fort, § 1959 Abs. 3 BGB. Der Gläubiger muss also nicht erneut mahnen. Vielmehr muss der endgültige Erbe nach der Annahme der Erbschaft (sei es auch nur über die Fiktion des § 1943 a.E. BGB) sicherstellen, dass er – nach Prüfung, ob der Nachlass werthaltig ist, und ggf. Berufen auf §§ 2014 f. BGB, § 782 S. 2 ZPO –"sofort" leistet, um die negativen Folgen eines Verzugseintritts zu verhindern. Ansonsten kann er für die Folgen des Verzugs auch trotz einer später erfolgten endgültigen Haftungsbeschränkungsmaßnahme persönlich aus § 1978 BGB in Anspruch genommen werden, da er den Nachlass nicht im Sinne der Gläubiger verwaltet hat.
Rz. 5
Auf Mahnung und Nichtleistung hin oder im Falle des Verzugseintritts ohne Mahnung (insbesondere § 286 Abs. 2 BGB), kommt sodann aber allenfalls der Nachlass, nicht aber der vorläufige Erbe in Verzug, da er während der Überlegungsfrist nicht gehalten ist, sich um den Nachlass zu kümmern (siehe oben § 3 Rdn 4). Ferner fehlt das für den Eintritt der Verzugsfolgen erforderliche Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB), wenn der Erbe z.B. wegen fehlenden Erbscheins o.Ä. noch nicht über den Nachlass verfügen kann. Deshalb ist m.E. auch zumindest in diesem Fall fraglich, ob der Nachlass in Verzug kommen kann. Verneint man dies, so darf auch ein Gläubiger (z.B. eine Bank) keine Sicherheit ziehen (z.B. eine Sicherungsgrundschuld), die gemäß der Abrede im Innenverhältnis nur für den Fall des Verzugs gezogen werden darf.
Hinweis
Befand sich schon der Erblasser im Verzug, so wirkt dies hingegen fort.