Rz. 15

Die vorübergehenden Einreden wollen verhindern, dass insoweit vollendete Tatsachen geschaffen werden, als einzelne Gläubiger den anderen zuvorkommen und vollständig befriedigt werden, obwohl der Nachlass überschuldet ist und damit die Gläubiger nach der Insolvenzordnung quotenmäßige Befriedigung erlangen sollen.

 

Rz. 16

a) Die Fälligkeit der Forderung wird durch die §§ 2014, 2015 BGB, § 782 S. 2 ZPO nicht berührt. Fälligkeitszinsen etwa nach § 291 BGB, § 353 HGB sind also geschuldet. Auch eine Aufrechnung oder die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts sind möglich.[11] Die Verjährung wird nicht gehemmt, was auch nicht notwendig ist, da Klagen gegen den Erben auch in den Fällen der §§ 2014, 2015 BGB zulässig bleiben und damit die Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB von den Nachlassgläubigern herbeigeführt werden kann.

Die Norm gibt aber ein materielles Leistungsverweigerungsrecht. Daher kommt – jedenfalls der Erbe selbst – auch richtiger Ansicht nach nicht in Verzug (sehr str.); denn es wäre widersprüchlich, den Erben aus § 1978 BGB haften zu lassen, wenn er die Einreden nicht erhebt (siehe dazu noch § 8 Rdn 87 ff.), und aus Verzug, wenn er sie erhebt.[12]

 

Rz. 17

b) Die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB geben dem Erben vielmehr wegen der Unübersichtlichkeit des Nachlasses und der Kürze der Ausschlagungsfrist eine Schonfrist, innerhalb derer die Zwangsvollstreckung sowohl in das Privatvermögen des Erben als auch in den Nachlass auf reine Sicherungsmaßnahmen beschränkt ist. Die §§ 2014, 2015 BGB schließen damit – anders als § 1958 BGB – keine Klagen gegen den Erben aus.

 

Hinweis

Die Einredeerhebung verhindert auch nicht die Verurteilung im Erkenntnisverfahren, sondern wirkt sich erst im Zwangsvollstreckungsverfahren aus, im Rahmen dessen dann auch allein die Verwertung verhindert werden kann. Im Prozess gegen den Erben bzw. i.R.d. Klauselumschreibungsverfahrens wirken die Einreden noch nicht; deren Erhebung führt nicht zur Klageabweisung. Dennoch spielen die Einreden im Erkenntnisverfahren eine Rolle: Die Erben müssen sich die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB, § 782 S. 2 ZPO für das spätere Zwangsvollstreckungsverfahren durch Erhebung der jeweiligen Einrede im Prozess, sodass ein Vorbehaltsurteil ergeht, sichern, § 782 S. 1 ZPO. Tun sie dies nicht, ist die Einredeerhebung im späteren Zwangsvollstreckungsverfahren ausgeschlossen.

 

Rz. 18

Die Erhebung der Einrede führt zur Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung in das Urteil, § 305 ZPO. Auch dies verhindert zwar die Verwertung i.R.d. Zwangsvollstreckung noch nicht, § 781 ZPO, erhält aber die Möglichkeit hierzu. Sobald es zur Zwangsvollstreckung kommt und sodann eine Verwertung ansteht, muss der Erbe gegen die Verwertung durch Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 782, 785, 767 ZPO vorgehen (vgl. im Einzelnen unten § 13).

 

Rz. 19

Auch eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass ist nicht gänzlich unmöglich, sondern nur die Verwertung zum Zwecke der Befriedigung. Eine Verwertung des Eigenvermögens des Erben soll unterbleiben, damit für den Fall der Herbeiführung endgültiger Haftungsbeschränkungsmaßnahmen auf den Nachlass keine irreversiblen Umstände geschaffen werden. Die bloße Pfändung in das Eigenvermögen kann nach § 784 Abs. 1 ZPO wieder aufgehoben werden. Im Falle der Insolvenz kann die noch nicht beendete Einzelzwangsvollstreckung in den Nachlass nach §§ 88, 321 InsO wieder aufgehoben werden.

 

Hinweis

Auch Eigengläubiger kann und muss der Erbe zur Vermeidung einer eigenen Haftung auf Sicherungsmaßnahmen beschränken, § 783 ZPO.

 

Rz. 20

Obwohl Pfändungen aufgrund eines Titels möglich wären, ist der Erbe nach h.M. nicht gehalten, dem Gläubiger die Pfändung zu ermöglichen oder an der Errichtung eines Vollstreckungstitels mitzuwirken. Auch wenn er dies nicht tut, gibt er keinen Anlass zur Klage und kann sich – so er nicht den Anspruch als solchen bestritten hat – im Prozess auf § 93 ZPO berufen (siehe zu diesem Vorgehen, um nicht mit dem Eigenvermögen für die Kosten des Rechtsstreits zu haften, § 11 Rdn 38).[13]

[11] Staudinger/Dobler, § 2014 BGB Rn 7, 11, 12.
[12] So zu Recht Staudinger/Dobler, § 2014 BGB Rn 8; a.A. z.B. Große-Wilde/Ouart/Wrede, § 2058 BGB Rn 11; der von Verzug ausgeht und für diesen Fall klarstellt, dass schon der Verzug nur eines Miterben die Haftung aller Miterben für den Verzugsschaden auslöst, § 425 BGB gelte insoweit nicht.
[13] Staudinger/Dobler, § 2014 BGB Rn 8, 14; eingehend auch BeckOGK/Herzog, § 2014 BGB Rn 58 ff.

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