Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 49
Beruft sich der Erbe zu Recht auf die Dürftigkeitseinrede, steht ihm ein Leistungsverweigerungsrecht in oben (siehe Rdn 43 ff.) beschriebene Umfang zu. Gleichwohl können die Nachlassgläubiger noch verlangen, dass der Erbe ihm die (verbliebenen) Nachlassgegenstände zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zur Verfügung stellt, § 1990 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 50
Dies gilt nach h.M. auch für die unpfändbaren Gegenstände; denn hinsichtlich der ihm durch die Erbschaft angefallenen Gegenstände kann der Erbe keinen Pfändungsschutz nach § 811 ZPO beanspruchen.
Hinweis
Beim Miterben hat die Erhebung der Dürftigkeitseinrede zur Folge, dass der jeweilige Miterbe die Zwangsvollstreckung in diejenigen Nachlassgegenstände oder deren Surrogate (§ 2040 BGB) dulden muss, die er bei der Teilung aus dem Nachlass erhalten hat. Nicht erfasst sind hingegen solche, die ihm im Wege der Ausgleichung nach § 2055 BGB zugefallen sind.
Rz. 51
Der Erbe ist aber nicht verpflichtet, die Nachlassgegenstände zu übereignen oder an der Schaffung eines Titels mitzuwirken, sondern muss den Nachlass nur zur öffentlichen Versteigerung zur Verfügung stellen oder an den Gläubiger verpfänden.
Hinweis
Klagen kann der Erbe gleichwohl auf Leistung; er muss nicht, kann aber alternativ auf Duldung der Zwangsvollstreckung klagen.
Rz. 52
Eine Abwendung durch Zahlung des Wertes sieht das Gesetz i.R.d. § 1990 BGB nicht vor; die h.M. lehnt auch die Möglichkeit einer analogen Anwendung von §§ 1973 Abs. 2 S. 2, 1992 S. 2 BGB ab; daher muss sich der Gläubiger anders als bei §§ 1973, 1992 BGB nicht auf eine Schätzung einlassen. Gleichwohl ist es möglich, sich mit den Nachlassgläubigern über einen Zahlbetrag zu einigen oder Nachlassgegenstände an Zahlung Statt herauszugeben. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten; denn gegenüber anderen Nachlassgläubigern kann die Zahlung nur insoweit nach §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 3, 670 BGB nachlassmindernd wirken, als der Zahlbetrag dem objektiven Wert entspricht.
Rz. 53
Der Erbe ist bei der Befriedigung der Gläubiger grds. an keine Reihenfolge gebunden (zu dieser Privilegierung, wenn er selbst i.R.d. § 1990 BGB den Nachlass verwaltet, siehe bereits oben Rdn 34, 59, 77). Daher kann er ungescholten zunächst seine eigenen Forderungen gegen den Nachlass befriedigen (eigene Forderungen gegen den Erblasser, § 1991 Abs. 2 BGB, oder solche aus §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 3, 670 BGB) und hiernach den Nachlass schlicht demjenigen überlassen, der ihn als Erster in Anspruch nimmt, oder auch andere Gläubiger bevorzugen. Nur rechtkräftig titulierte Forderungen (§ 1991 Abs. 3 BGB) sind nach h.M. vorrangig, Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen sind nachrangig und in der Rangfolge wie in der Insolvenz zu befriedigen, § 1991 Abs. 4 BGB, § 327 InsO. Dies gilt auch dann, wenn diese Gläubiger bereits einen Titel haben. Hält sich der Erbe nicht an diese Reihenfolge, so macht er sich schadensersatzpflichtig, §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1 BGB, soweit er den Nachlass nicht durch Kondiktion nach § 813 BGB wieder auffüllen kann.
Rz. 54
Soweit der Erbe Nachlassgläubiger bereits befriedigt hat, schmälert dies den Nachlass im Verhältnis zu weiteren Nachlassgläubigern, und zwar ab Vorliegen von Dürftigkeit, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 1979 BGB ankäme. Der Nachlass gilt auch in Bezug auf solche Forderungen von Gläubigern als geschmälert, bezüglich derer gegen den Erben bereits ein rechtskräftiger Titel vorliegt, § 1991 Abs. 3 BGB, auch wenn der Erbe noch nicht erfüllt hat. Auch eigene Forderungen des Erben gegen den Nachlass schmälern auf diese Weise den Nachlass.