Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 28
aa) Nach Beendung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan endet die dadurch begründete Gütersonderung: Ein ggf. verbliebener Nachlass und das Eigenvermögen des Erben verschmelzen wieder miteinander. Dennoch besteht die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass über die Erschöpfungseinrede der §§ 1989, 1973 BGB fort, wenn sich der Erbe während der Nachlassinsolvenz insolvenztreu verhalten hat.
Rz. 29
In diesem Fall kann der Erbe die Befriedigung der Forderung insoweit verweigern, als der Nachlass aufgezehrt ist. Der Erbe haftet dabei für Verwaltungsmaßnahmen nach Eintritt der Nachlassinsolvenz (für vorherige gelten die §§ 1978 ff. BGB, die i.d.R. der Nachlassinsolvenzverwalter nach § 1978 Abs. 2 BGB geltend macht) gemäß §§ 1989, 1973 BGB nur nach Bereicherungsrecht und hat damit die Möglichkeit, sich gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung zu berufen. Da der Nachlass nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in der Regel ohnehin vollständig aufgebraucht sein wird, wird der Erbe rglm. die Erfüllung der Forderung vollständig verweigern können (daher spricht man von "Erschöpfungseinrede").
Hinweis
Miterben haften nach regulär beendeter Nachlassinsolvenz gemäß § 2060 Nr. 3 BGB nur noch als Teilschuldner in Höhe der Quote ihrer jeweiligen Erbteile und nicht (mehr) als Gesamtschuldner (siehe zu Nachteilen der gesamtschuldnerischen Haftung schon oben § 2 Rdn 16 und im Einzelnen noch § 14 Rdn 14 ff.). Die Einrede des § 1989 BGB kann von jedem Miterben einzeln, ohne Mitwirkung der anderen erhoben werden.
Neben dem Allein- oder Miterben kann auch der Testamentsvollstrecker die Einrede erheben.
Rz. 30
Die Erschöpfungseinrede steht dem Erben schon nach dem Wortlaut des § 1989 BGB allerdings nur nach ordentlicher Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch Verteilung der Masse (gemeint ist: mit dem gerichtlichen Aufhebungsbeschluss) oder Insolvenzplan (gemeint ist der Aufhebungsbeschluss gemäß § 258 Abs. 1 InsO), nicht aber bei Einstellung mangels Masse oder Masseunzulänglichkeit oder anderer Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu (in diesem Fall gilt § 1990 BGB, siehe noch Rdn 36 ff.). Hintergrund: In diesem Fall hat i.R.d. Insolvenzverfahrens ein Gläubigeraufgebot nach §§ 28, 174 InsO stattgefunden; ferner hat der Insolvenzverwalter bereits die Ansprüche aus § 1978 BGB gegen den Erben geltend gemacht. Trotz dieser Ratio gilt die Einrede umfassend gegenüber allen Gläubigern von reinen Nachlassforderungen, egal, ob sie ihre Forderung zur Tabelle angemeldet haben oder nicht, und auch Massegläubiger sind erfasst; denn mehr als das, was der Nachlassinsolvenzverwalter veranlasst hat, kann auch vom Erben nicht verlangt werden. Betroffen sind allein Gläubiger i.S.d. § 1971 BGB nicht.
Rz. 31
Nach ganz h.M. steht dem Erben die Erschöpfungseinrede auch nicht nach Beendigung der Nachlassverwaltung zu. Hier ist der Erbe auf die Einreden nach § 1990 BGB analog verwiesen (siehe noch unten Rdn 36 ff.). Er haftet also nicht nach dem – für ihn günstigeren – Bereicherungsrecht (§ 818 Abs. 3 BGB), sondern nach Auftragsrecht (§ 1978 BGB).
Hinweis
Die Bereicherungshaftung gilt aber auch hier gegenüber nach §§ 1973, 1974 BGB ausgeschlossenen Gläubigern (siehe hierzu noch Rdn 68 ff, 78 ff.).
Rz. 32
bb) § 1989 BGB beschränkt das Recht der Gläubiger, gemäß § 201 InsO ihre Forderungen nach Abschluss der Nachlassinsolvenz gegen den Erben als Schuldner geltend zu machen, auf den überschüssigen Nachlass. Ist der Nachlass erschöpft (wie wohl im Regelfall), kann der Erbe die Befriedigung gänzlich verweigern (siehe oben Rdn 43 ff.); keinesfalls muss er die reinen Nachlassverbindlichkeiten aus seinem Eigenvermögen begleichen. Die Beweislast hierfür trägt der Erbe. Der Nachweis dürfte aber mittels der Insolvenzunterlagen leicht zu führen sein.
Rz. 33
Ist ausnahmsweise noch ein Restnachlass vorhanden, so gilt § 1973 BGB (siehe dazu im Einzelnen Rdn 68 ff.).
Hinweis
Dies mag insbesondere deshalb vorkommen, weil unverwertbare Gegenstände zwar im Rahmen der Nachlassinsolvenz nicht verwertet werden dürfen, den Gläubigern wohl aber i.R.v. § 1989 BGB zur Verfügung gestellt werden müssen. Gleiches gilt für den Ausnahmefall, dass alle Nachlassgläubiger, die ihre Forderung zur Tabelle angemeldet haben, befriedigt wurden. Zum Nachlass können insbesondere für diesen Fall auch Ansprüche aus § 1978 BGB gehören, die der Nachlassinsolvenzverwalter nicht geltend gemacht hat.
Rz. 34
Der Erbe muss dabei nicht die Rangfolge der Insolvenz beachten, sondern kann die Gläubiger in beliebiger Reihenfolge befriedigen; die anderen müssen das gegen sich gelten lassen, selbst dann, wenn sie ihre Forderungen vorher geltend gemacht haben. Nur Pflichtteilsansprüche, solche aus Vermächtnissen oder Auflagen sind nachrangig zu befriedigen, soweit sie nicht schon befriedigt sind (§ 1973 Abs. 1 S. 2 BGB); § 1974 Abs. 2 BGB gilt analog. Die Insolvenztabelle bzw. der Insolvenz...