Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 36
Die Dürftigkeitseinrede kann vom (Mit-)Erben, Testamentsvollstrecker und vom Nachlasspfleger, nicht aber vom Nachlassverwalter (siehe oben Rdn 31) erhoben werden.
Hinweis
Miterben sind auch nach der Teilung noch befugt, die Einrede zu erheben.
Rz. 37
Die Dürftigkeitseinrede kann grds. gegenüber jeder Nachlassverbindlichkeit, bei der eine Haftungsbeschränkung möglich ist, erhoben werden.
Hinweis
Sie kann auch gegenüber dem Verlangen nach einem notariellen Nachlassverzeichnis oder nach Wertermittlung gemäß § 2314 BGB erhoben werden, nicht aber gegenüber dem persönlichen Auskunftsanspruch, da dieser nicht Nachlass-, sondern Eigenverbindlichkeit ist. Die erfolgreiche Erhebung der Dürftigkeitseinrede führt nicht dazu, dass kein notarielles Verzeichnis oder kein Gutachten einzuholen ist; die Kosten hierfür fallen nur nicht dem Nachlass zur Last, sondern der Auskunftsberechtigte ist kostentragungspflichtig.
Rz. 38
Der Erbe kann auch solchen Gläubigern die Dürftigkeitseinrede entgegenhalten, die nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege einer einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt haben, § 1990 Abs. 2 BGB. Er kann die Aufhebung dieser Maßnahmen nach § 784 ZPO analog verlangen (siehe hierzu § 12 Rdn 28).
aa) Geltungsbereich
(1) Die Dürftigkeitseinrede nach Einstellung der Nachlassinsolvenz oder Aufhebung der Nachlassverwaltung mangels Masse
Rz. 39
Die Dürftigkeitseinrede steht dem Erben nach § 1990 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB zum einen dann zu, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt worden ist, § 207 InsO, oder wenn die Nachlassverwaltung mangels Masse aufgehoben ist, § 1988 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt bei Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit, § 211 InsO.
Hinweis
In diesem Fall hat der Einstellungs- oder Aufhebungsbeschluss für das Prozessgericht Bindungswirkung (siehe § 13 Rdn 2).
(2) Die Dürftigkeitseinrede nach regulärer Beendigung der Nachlassverwaltung
Rz. 40
§ 1990 findet entsprechende Anwendung nach Beendigung der Nachlassverwaltung; da der Erbe erwarten kann, dass ihm ein schuldenfreier Nachlass übergeben wird.
Hinweis
In diesen Fällen greift die Erschöpfungseinrede der §§ 1989, 1973 BGB nicht (siehe oben Rdn 31). Denn in diesem Fall hat kein Insolvenzverfahren und damit auch kein Gläubigeraufgebot nach §§ 28, 174 InsO stattgefunden.
Wohl aber greift § 1973 BGB, wenn der Nachlassverwalter ein Aufgebotsverfahren durchlaufen hat, gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern.
(3) Die Dürftigkeitseinrede anstelle von Nachlassinsolvenz oder Nachlassverwaltung
Rz. 41
Ist keine kostendeckende Masse vorhanden, so kann der Erbe auch von einem Antrag auf Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz absehen und die Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB direkt erheben, um die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
(4) Exkurs: Die Dürftigkeitseinrede nach § 1626a BGB
Rz. 42
War der Erbe im Zeitpunkt des Erbfalles noch minderjährig, so kann er seine Haftung auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens beschränken. Insoweit verweist § 1626a BGB auf § 1990 BGB.
bb) Vorliegen von Dürftigkeit
Rz. 43
(1) Man unterscheidet i.R.v. § 1990 BGB:
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den Mangel an Aktiva (sog. Dürftigkeit im engeren Sinne), bei dem keine hinreichende Masse vorhanden ist, um die Kosten der Nachlassverwaltung bzw. Nachlassinsolvenz zu decken, |
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die Überschuldung des Nachlasses (sog. Unzulänglichkeit), bei der der Nachlasswert nicht hinreichend ist, um alle bzw. die geltend gemachten Forderungen zu begleichen, und |
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den vollständigen Verbrauch des Nachlasses zur zulässigen Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten (sog. Erschöpfung). |
Rz. 44
In allen drei Fällen kann die Vollstreckung in das Eigenvermögen unter den unter (1) (siehe Rdn 39) genannten Voraussetzungen durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede verhindert werden; denn die Möglichkeit, durch Nachlassverwaltung die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, zeigt gerade, dass eine Überschuldung nicht Voraussetzung für eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist. In allen Fällen muss der Erbe den Gläubigern also nur den Nachlass zur Verfügung stellen. Die Unterscheidung von Dürftigkeit im engeren Sinne, Unzulänglichkeit und Erschöpfung ist vor allem ents...