Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 43
(1) Man unterscheidet i.R.v. § 1990 BGB:
▪ |
den Mangel an Aktiva (sog. Dürftigkeit im engeren Sinne), bei dem keine hinreichende Masse vorhanden ist, um die Kosten der Nachlassverwaltung bzw. Nachlassinsolvenz zu decken, |
▪ |
die Überschuldung des Nachlasses (sog. Unzulänglichkeit), bei der der Nachlasswert nicht hinreichend ist, um alle bzw. die geltend gemachten Forderungen zu begleichen, und |
▪ |
den vollständigen Verbrauch des Nachlasses zur zulässigen Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten (sog. Erschöpfung). |
Rz. 44
In allen drei Fällen kann die Vollstreckung in das Eigenvermögen unter den unter (1) (siehe Rdn 39) genannten Voraussetzungen durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede verhindert werden; denn die Möglichkeit, durch Nachlassverwaltung die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, zeigt gerade, dass eine Überschuldung nicht Voraussetzung für eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist. In allen Fällen muss der Erbe den Gläubigern also nur den Nachlass zur Verfügung stellen. Die Unterscheidung von Dürftigkeit im engeren Sinne, Unzulänglichkeit und Erschöpfung ist vor allem entscheidend für die Frage, ob und wieviel der Gläubiger noch erhält. Ist der Nachlass dürftig, so mag es sein, dass die ersten oder auch alle Gläubiger befriedigt werden. Ist der Nachlass unzulänglich, so wird ggf. schon der Gläubiger, der derzeit an den Erben herantritt, nicht vollständig befriedigt; jedenfalls werden nicht alle Gläubiger (vollständig) befriedigt werden. Ist der Nachlass erschöpft, so mögen bisher vielleicht noch einzelne Gläubiger etwas erhalten haben, der Gläubiger, der aber nunmehr, nach Eintritt der Erschöpfung an den Erben herantritt, geht leer aus.
Hinweis
Die Unterscheidung mag im Einzelfall auch interessant werden für die Frage, ob und wie bereits im Erkenntnisverfahren über die Einrede entschieden werden kann (vgl. hierzu i.E. § 11 Rdn 39 ff.), und schließlich i.R.d. Vollstreckungsabwehrklage (siehe unten § 12 Rdn 21 ff.).
Rz. 45
(2) Zur Feststellung, ob der Nachlass dürftig ist, werden die Kosten von Nachlassverwaltung bzw. Nachlassinsolvenz dem Aktivnachlass gegenübergestellt. Dabei darf nicht einfach der zum Zeitpunkt der Prüfung vorhandene Aktivnachlass herangezogen werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 1991 Abs. 2 BGB die durch Konfusion erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen gelten. Auch Ersatzansprüche aus der Verwalterhaftung nach §§ 1991 Abs. 1, 1978 ff. BGB (siehe § 8 Rdn 87 ff.) sind dem Nachlass gemäß § 1991 Abs. 1 BGB hinzuzurechnen. Ferner sind Surrogate, die ohne weiteres an die Stelle von Nachlassgegenständen treten, hinzuzurechnen. Dies kann dazu führen, dass Dürftigkeit zu verneinen ist.
Hinweis
Dies entspricht letztlich der Rechtslage bei Vermögenstrennung durch Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz. Allerdings tritt die Wirkung anders als bei Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz nicht absolut inter omnes (siehe § 8 Rdn 82 ff.), sondern relativ gegenüber einem jeden Nachlassgläubiger ein. Die Ansprüche aus § 1978 BGB werden nicht vom Nachlassverwalter oder Insolvenzverwalter geltend gemacht, sondern der Erbe muss sich mit jedem einzelnen Nachlassgläubiger, dem gegenüber er die Dürftigkeitseinrede geltend macht, auseinandersetzen; er wird gleichsam als Nachlassverwalter tätig.