Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 26
Stehen vorübergehende Einreden (wegen Zeitablaufs) nicht mehr zur Verfügung, so kann der Erbe den Nachlassgläubigern die eigentlichen Einreden entgegenhalten, um seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Dabei gilt es, verschiedene Fälle zu unterscheiden
▪ |
und zwar zunächst solche, die gegenüber allen Nachlassgläubigern wirken:
▪ |
während laufender Nachlass(insolvenz)verwaltung (siehe Rdn 27), § 1975 BGB, |
▪ |
nach regulärer Beendigung von Nachlasssinsolvenz (§ 1989 BGB, siehe Rdn 28) bzw. Nachlassverwaltung (§ 1990 BGB, siehe Rdn 31), |
▪ |
bei Nichteröffnung bzw. Einstellung von Nachlassinsolvenz bzw. Nachlassverwaltung mangels Masse (§ 1990 BGB, siehe Rdn 30, 36), |
|
▪ |
und schließlich solche, die nur gegenüber bestimmten Nachlassgläubigern, dafür aber ohne (fortwirkende) Vermögenssonderung wirken
▪ |
die Ausschließungs- (§ 1973 BGB, siehe Rdn 68 ff.) bzw. Verschweigungseinrede (§ 1974 BGB, siehe Rdn 78 ff.), |
▪ |
die Überschwerungseinrede des § 1992 BGB (siehe Rdn 60) oder |
▪ |
durch Vereinbarung mit einzelnen Nachlassgläubigern. |
|
I. Endgültige Haftungsbeschränkung gegenüber allen Gläubigern
1. Haftungsbeschränkung während formeller Vermögenssonderung durch Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz
Rz. 27
Führt der Erbe eine der regulären endgültigen Haftungsbeschränkungsmaßnahmen wie Nachlassinsolvenz oder Nachlassverwaltung so herbei, dass diese bereits eröffnet bzw. angeordnet sind, und wird er von einem Nachlassgläubiger in Anspruch genommen, während diese noch fortdauern, so kann der Erbe jegliche Haftung für reine Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1975 BGB verweigern und die Nachlassgläubiger an den (Insolvenz)Verwalter verweisen, § 1984 Abs. 1 S. 3 BGB. Denn der Erbe haftet gemäß § 1975 BGB auf den Nachlass beschränkt; bezüglich der Nachlassgegenstände ist er aber (derzeit) nicht verfügungsbefugt, weil die Verfügungsbefugnis auf den Nachlass(insolvenz)verwalter übergegangen ist (siehe § 8 Rdn 67 ff.).
2. Haftungsbeschränkung ohne (fortbestehende) Vermögenssonderung
a) Die Erschöpfungseinrede nach regulärer Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1989, 1973 BGB
Rz. 28
aa) Nach Beendung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan endet die dadurch begründete Gütersonderung: Ein ggf. verbliebener Nachlass und das Eigenvermögen des Erben verschmelzen wieder miteinander. Dennoch besteht die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass über die Erschöpfungseinrede der §§ 1989, 1973 BGB fort, wenn sich der Erbe während der Nachlassinsolvenz insolvenztreu verhalten hat.
Rz. 29
In diesem Fall kann der Erbe die Befriedigung der Forderung insoweit verweigern, als der Nachlass aufgezehrt ist. Der Erbe haftet dabei für Verwaltungsmaßnahmen nach Eintritt der Nachlassinsolvenz (für vorherige gelten die §§ 1978 ff. BGB, die i.d.R. der Nachlassinsolvenzverwalter nach § 1978 Abs. 2 BGB geltend macht) gemäß §§ 1989, 1973 BGB nur nach Bereicherungsrecht und hat damit die Möglichkeit, sich gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung zu berufen. Da der Nachlass nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in der Regel ohnehin vollständig aufgebraucht sein wird, wird der Erbe rglm. die Erfüllung der Forderung vollständig verweigern können (daher spricht man von "Erschöpfungseinrede").
Hinweis
Miterben haften nach regulär beendeter Nachlassinsolvenz gemäß § 2060 Nr. 3 BGB nur noch als Teilschuldner in Höhe der Quote ihrer jeweiligen Erbteile und nicht (mehr) als Gesamtschuldner (siehe zu Nachteilen der gesamtschuldnerischen Haftung schon oben § 2 Rdn 16 und im Einzelnen noch § 14 Rdn 14 ff.). Die Einrede des § 1989 BGB kann von jedem Miterben einzeln, ohne Mitwirkung der anderen erhoben werden.
Neben dem Allein- oder Miterben kann auch der Testamentsvollstrecker die Einrede erheben.
Rz. 30
Die Erschöpfungseinrede steht dem Erben schon nach dem Wortlaut des § 1989 BGB allerdings nur nach ordentlicher Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch Verteilung der Masse (gemeint ist: mit dem gerichtlichen Aufhebungsbeschluss) oder Insolvenzplan (gemeint ist der Aufhebungsbeschluss gemäß § 258 Abs. 1 InsO), nicht aber bei Einstellung mangels Masse oder Masseunzulänglichkeit oder anderer Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu (in diesem Fall gilt § 1990 BGB, siehe noch Rdn 36 ff.). Hintergrund: In diesem Fall hat i.R.d. Insolvenzverfahrens ein Gläubigeraufgebot nach §§ 28, 174 InsO stattgefunden; ferner hat der Insolvenzverwalter bereits die Ansprüche aus § 1978 BGB gegen den Erben geltend gemacht. Trotz dieser Ratio gilt die Einrede umfassend gegenüber allen Gläubigern von reinen Nachlassforderungen, egal, ob sie ihre Forderung zur Tabelle angemeldet haben oder nicht, und auch Massegläubiger sind erfasst; denn mehr als das, was der Nachlassinsolvenzverwalter veranlasst hat, kann auch vom Erben nicht verlangt werden. Betroffen sind allein Gläubiger i.S.d. § 1971 BGB nicht.
Rz. 31
Nach ganz h.M. steht dem Erben die Erschöpfungseinrede auch nicht nach Beendigung der Nachlassverwaltung zu. Hier ist der Erbe auf die Einreden nach § 1990 BGB analog verwiesen (siehe noch unten Rdn 36