Rz. 236

Wird der Erbe verklagt, so muss er die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungvorbehalts in den Urteilstenor nach § 780 ZPO beantragen (Formulierungsbeispiel für einen entsprechenden Klageerwiderungsschriftsatz, siehe Rdn 239).

Der Erbe hat darzulegen und erforderlichenfalls auch zu beweisen, dass der Nachlass unzulänglich ("dürftig") ist. Das Gericht trifft dann eine entsprechende Aufklärungspflicht. Dazu der BGH[278] im Falle der Geltendmachung der Dürftigkeit des Nachlasses gegenüber einem Pflichtteilsergänzungsanspruch:

Zitat

"Hat der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsanspruch die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses (§ 1990 BGB) erhoben, so muss das Prozessgericht entweder die Frage des Haftungsumfangs sachlich aufklären und darüber entscheiden oder den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. § 780 I ZPO aussprechen (Bestätigung von BGH NJW 1983, 2378)".

Prozessual verhindert der Erbe die Einzelvollstreckung eines Nachlassgläubigers in sein Eigenvermögen in entsprechender Anwendung von § 784 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 785, 767 ZPO, sofern er den Haftungsbeschränkungsvorbehalt in den Tenor des Ersturteils hat aufnehmen lassen.

Maßgebender Zeitpunkt für das Nichtvorhandensein einer entsprechenden Nachlassmasse ist nicht der Erbfall, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über die Einrede.[279] Denn: Der Nachlass kann auch nachträglich dürftig geworden sein. Allerdings kann der Erbe einer Eigentumswohnung seine Haftung für nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Wohngeldschulden nicht mehr nach § 1990 BGB beschränkten, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann.[280] Hiervon ist in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen.

 

Rz. 237

Die Einrede kann auch nach Beendigung der Nachlassverwaltung erhoben werden. Der Erbe verwaltet selbst und erfüllt die Nachlassverbindlichkeiten. An eine bestimmte Reihenfolge ist er dabei grundsätzlich nicht gebunden. Im Übrigen gilt:

Gläubiger mit rechtskräftigem Titel gehen den anderen Gläubigern im Rang vor, § 1991 Abs. 3 BGB.[281]
Für Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen, Vermächtnissen und Auflagen gilt die Reihenfolge wie im Insolvenzverfahren, § 327 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO; § 1991 Abs. 4 BGB.
 

Rz. 238

Muster 9.10: Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede

 

Muster 9.10: Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede

Für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage wird die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts beantragt, dass dem Beklagten die Beschränkung seiner Haftung für Hauptanspruch, Nebenforderungen und Kosten auf den Nachlass der Erblasserin, der am _________________________ verstorbenen Frau _________________________, zuletzt wohnhaft in _________________________, vorbehalten wird.[282]

 

Rz. 239

Muster 9.11: Klageumstellung nach Dürftigkeitseinrede

 

Muster 9.11: Klageumstellung nach Dürftigkeitseinrede

Der bisher vom Kläger gestellte Klageantrag wird, nachdem der Beklagte die Dürftigkeitseinrede erhoben hat, wie folgt geändert:

Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung in den Nachlass des am _________________________ gestorbenen Herrn _________________________, zuletzt wohnhaft in _________________________, bestehend aus folgenden Gegenständen zu dulden: _________________________[283]

 

Rz. 240

Muster 9.12: Klageantrag für Vollstreckungsabwehrklage gegen Zwangsvollstreckung des Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben nach §§ 781, 785, 767 ZPO – Nachweis der Dürftigkeit durch Gerichtsbeschluss oder durch Inventar

 

Muster 9.12: Klageantrag für Vollstreckungsabwehrklage gegen Zwangsvollstreckung des Nachlassgläubigers in das Eigenvermögen des Erben nach §§ 781, 785, 767 ZPO – Nachweis der Dürftigkeit durch Gerichtsbeschluss oder durch Inventar

Die zugunsten der Beklagten erfolgte Pfändung und Überweisung des Auszahlungsanspruchs für das Guthaben des Kontos Nr. _________________________ bei der _________________________ Bank, Kontoinhaber: _________________________, im Wege der Zwangsvollstreckung aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________, Az. _________________________, wird in Höhe eines Betrages von _________________________ EUR zuzüglich der dort genannten Zinsen und Kosten für unzulässig erklärt.[284]

[278] BGH NJWE-FER 2000, 211.
[279] BGHZ 85, 280.
[280] BGH ErbR 2013, 388 = FamRZ 2013, 1476; M. Schmid, ZErb 2013, 321.
[281] BGHZ 122, 197.
[282] Ausführliches Muster mit Begründung z.B. in Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare ErbR, § 11 Rn 284.
[283] Ausführliches Muster mit Begründung z.B. in Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare ErbR, § 11 Rn 285.
[284] Ausführliches Muster mit Begründung z.B. in Krug/Rudolf/Kroiß/Bittle...

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