Rz. 496
Urt. des LG Berlin v. 26.10.2000 – 33 O 226/00:
Das LG Berlin hat in dem zuvor bezeichneten Urteil einen im Recht der Vor- und Nacherbschaft nicht unbedeutenden Auskunftsanspruch des Nacherben gegen den Vorerben auf der Grundlage von § 242 BGB zugesprochen und damit in richterlicher Rechtsfortbildung die Zahl der dem Vorerben gegen den Nacherben zustehenden Auskunftsansprüche erweitert. Es ging um die Auskunft des Vorerben über die mündelsichere Anlage von Geld, das aus der Veräußerung eines Nachlassgegenstandes und der Erbteilung im Wege der dinglichen Surrogation nach § 2111 BGB in den der Vor- und Nacherbfolge unterliegenden Nachlass gefallen und der nach §§ 2119, 1806, 1807 BGB mündelsicher anzulegen war. Die Nacherbin wollte wissen, ob der Vorerbe seine diesbezügliche Verpflichtung erfüllt hatte.
In dem vom LG Berlin entschiedenen Fall ging es um solche freien finanziellen Mittel, die zum einen aus einer Nachlassauseinandersetzung und zum anderen als Erträge von Wertpapieren in den Nachlass gefallen waren.
Nach Meinung des LG Berlin besteht zwischen der Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses nach Eintritt des Erbfalls einerseits (§ 2121 BGB) und der Auskunftspflicht des Vorerben bei Gefährdung der Nacherbenrechte andererseits (§ 2127 BGB) eine gesetzliche Lücke in Bezug auf Auskunftsrechte des Nacherben über die Anlage freier Geldmittel, die es durch Richterrecht auszufüllen gelte.
Auf diese Generalklausel stützt das LG Berlin die von ihm im vorliegenden Fall angenommene Rechtsfolge, der Nacherbe müsse bereits vor Eintritt des Nacherbfalls und ohne die schlüssige Darlegung einer Gefährdung seiner Rechte Informationen darüber erhalten können, ob der Vorerbe auch seiner Verpflichtung zur mündelsicheren Anlage freier Finanzmittel nachkommt. Zuwarten zu müssen, bis eine Gefährdung der Nacherbenrechte oder der Nacherbfall eingetreten ist, beeinträchtigt in der Tat die Effizienz der Rechtswahrnehmung des Nacherben. Ob das Gesetz an dieser Stelle eine auszufüllende Lücke aufweist – wie das LG Berlin annimmt – oder ob nicht ganz gezielt das Gesetz für diesen Fall dem Nacherben das Warten zumuten wollte, erscheint nicht ganz so eindeutig wie das LG annimmt. Bisher wurde die Ansicht vertreten, der Nacherbe könne nach § 2121 BGB nur ein einziges Mal die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verlangen, eine weitere Auskunft aber nur dann, wenn eine erhebliche Verletzung seiner Rechte i.S.v. § 2127 BGB angenommen werden könne.
In dem vom LG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich um eine i.S.v. § 2136 BGB nicht befreite Vorerbschaft. Bei einer befreiten Vorerbschaft wird ein solcher Auskunftsanspruch des Nacherben zu verneinen sein, weil der Erblasser den Vorerben von der Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 2127 BGB befreien kann, vgl. den Wortlaut von § 2136 BGB. Dann wird er ihn erst recht von der Auskunftspflicht über die Geldanlage befreien können. Einem Nacherben bleiben dann lediglich die ordentlichen und unabdingbaren Auskunfts- und Feststellungsrechte auf Errichtung eines Nachlassverzeichnisses und auf Feststellung des Zustands der Nachlassgegenstände durch Sachverständige nach §§ 2121, 2122 BGB.