aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 474
Der Nacherbe kann von dem Vorerben die Erstellung eines Verzeichnisses der vorhandenen Nachlassgegenstände verlangen, § 2121 Abs. 1 BGB. Damit soll ein Beweismittel geschaffen werden, das nach dem Eintritt des Nacherbfalls die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben erleichtert. Eine Befreiung des Vorerben von dieser Verpflichtung ist nicht möglich, vgl. § 2136 BGB. Anspruchsinhaber ist der Nacherbe. Sind mehrere Nacherben vorhanden, können sie den Anspruch unabhängig voneinander, auch gegen den Willen der anderen Nacherben, geltend machen. Ist ein Nacherben-Testamentsvollstrecker bestellt, kann das Recht aus § 2121 BGB nur von diesem, nicht von den Nacherben, geltend gemacht werden. Der Testamentsvollstrecker seinerseits muss den Nacherben so unterrichten, wie wenn er den Anspruch aus § 2121 BGB geltend gemacht hätte. Dem Ersatznacherben steht hingegen vor Eintritt des Ersatzfalls der Anspruch nicht zu.
Die Verpflichtung trifft den Vorerben. Bilden mehrere Vorerben eine Erbengemeinschaft, so müssen sie das Verzeichnis gemeinsam erstellen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Aufnahme des Verzeichnisses, nicht der Erbfall. Nach dem Erbfall zum Nachlass gekommene Surrogate sind deshalb aufzunehmen, nicht aber zwischenzeitlich aus dem Nachlass ausgeschiedene Gegenstände. Über deren Verbleib kann nur im Rahmen des Anspruchs aus § 2127 BGB Auskunft verlangt werden. Ferner müssen in das Verzeichnis nur die Aktiva der Erbschaft aufgenommen werden, Aussagen zu den Nachlassverbindlichkeiten und Wertangaben sind nicht erforderlich. Bei einer Gesellschaft sind nicht die einzelnen Vermögensgegenstände, sondern die Beteiligung als solche anzugeben. Ein Anspruch auf Erstellung einer Bilanz folgt aus § 2121 BGB ebenfalls nicht.
Rz. 475
Weitergehende materielle Voraussetzungen für die Geltendmachung bestehen nicht. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass Grund zu der Annahme besteht, der Vorerbe habe Rechte des Nacherben erheblich verletzt. Insoweit unterscheidet sich der Anspruch auf Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses von dem Auskunftsanspruch nach § 2127 BGB.
Das Nachlassverzeichnis muss schriftlich erstellt und vom Vorerben unter Angabe des Datums unterschrieben werden. Der Nacherbe kann verlangen, dass das Verzeichnis nach § 2121 Abs. 3 BGB amtlich aufgenommen und er nach § 2121 Abs. 2 BGB bei der Aufnahme hinzugezogen wird. Eine amtliche Aufnahme sollte jedenfalls dann erfolgen, wenn der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls der Tod des Vorerben ist, da hier die Klärung der Nachlasszugehörigkeit oftmals schwierig sein wird und Streit vorprogrammiert ist.
Rz. 476
Hinweis
Versucht der Vorerbe, sich der Erteilung des Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB zu entziehen, obwohl die Aufstellung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würde, oder legt er ein unrichtiges Verzeichnis vor, kann dies einen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 2128 BGB auslösen.
bb) Grenzen
Rz. 477
Die Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses kann von jedem Nacherben nur einmal geltend gemacht werden. Sind mehrere Nacherben vorhanden, muss der Vorerbe unter Umständen aber mehrere aktualisierte Verzeichnisse vorlegen, da die Nacherben den Anspruch unabhängig voneinander geltend machen können. Bei späteren Veränderungen des Nachlassbestandes kann der Nacherbe lediglich unter den Voraussetzungen des § 2127 BGB Auskunft verlangen.
Der Anspruch erlischt mit dem Eintritt des Nacherbfalls. Ab diesem Zeitpunkt ist der nicht befreite Vorerbe nach §§ 2130 Abs. 2, 259 f. BGB rechenschaftspflichtig, den befreiten Vorerben trifft lediglich die Verpflichtung aus §§ 2138, 260 BGB zur Vorlage eines Bestandsverzeichnisses.
Das aufgenommene Verzeichnis stellt eine frei zu würdigende Beweisurkunde dar, der keine Vollständigkeitsvermutung zukommt. Im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern hat das Verzeichnis keine Wirkung, es sind hier allein die Vorschriften über das Nachlassinventar (§§ 1993 ff. BGB) maßgeblich.